Für einen halben Tag verlassen wir die kleine Stadt. In Zinnowitz schieben wir die Fahrräder aus dem Zug und fahren in Richtung Strand. Auf der Hauptstraße treffen wir meine Eltern. Im Augenwinkel sehe ich auf dem Gehweg zwei vertraute Umrisse und eine Mütze, die mir vage bekannt vorkommt. Das reicht meinem Unterbewusstsein – ich drehe mich um und sehe nach. Sie sind es tatsächlich. Ich laufe zurück und spreche sie an. Hallo, sagt mein Vater und es dauert ein paar Sekunden, ehe in seinem Gesicht ein großes Fragezeichen auftaucht: Was machst du hier? Es stellt sich heraus, dass meine Eltern in dieser Woche auf Usedom unterwegs sind und plötzlich zum Zahnarzt mussten. Sie kamen in dem Moment aus der Praxis heraus, in dem wir daran vorbei rollten.
Geschenkte Zeit. Wir fahren zusammen den Strandweg bis nach Trassenheide. Die Saison beginnt gerade, die gute Fischbude hat erst vor ein paar Tagen wieder aufgemacht. Wir sitzen in der Sonne und erzählen, dann müssen die Eltern wieder zurück.
Wir gehen gehen über den kleinen Hügel hinunter zur Klinik. Es gibt gerade Mittag und beinahe will ich mir ein Tablett nehmen und mich für das Bewusst-Genießen-Menü anstellen, aber dann desinfiziere ich mir nur die Hände, laufe durch das Foyer und staune über all die unbekannten Menschen, die jetzt hier sind. Safe Spaces nennt mein Arzt das, was ich fühle.
Der Ostwind schiebt uns weiter bis nach Peenemünde. Ich habe nachgesehen, es ist alles noch da: der Wald, das Meer, der Wind. Wie tröstlich.
Das Restaurant in Zinnowitz ist fast leer, aber die Terrasse davor voller Urlauber. Osterferien. Der kleine polnische Kellner kommt kaum hinterher, wir müssen lange warten.
Auf dem Rückweg sieht die Schaffnerin versonnen aus dem Zugfenster, sie erklärt uns, an welchen Stellen man am besten die Tiere beobachten kann. Rehe, Rinder, Hasen. Die beiden Kraniche von der Hinfahrt sind auch noch da. Auf den Feldern liegt schon das Abendlicht.