Auf Falster

Am zweiten Tag schiebt der Wind den Nebel, der noch über dem Meer liegt, nach Marielyst hinein. Der kurze Sommer ist wieder vorbei. Von jetzt an wird es jeden Tag kälter.

15 Kilometer Gegenwind am Guldborgsund entlang, dann erreichen wir Nykøbing. Es ist Karfreitag, wir gehen in die Klosterkirche, um uns aufzuwärmen. Das Kirchenschiff ist flach und geheizt. Neben der Handdesinfektion hängt ein dreisprachiges Hinweisschild, auf dem dazu geraten wird, wegen der Brandgefahr einige Zeit vergehen zu lassen, bevor eine Gebetskerze entzündet wird. Wir sitzen in der Kirchenbank. Sanftes Erschrecken, als plötzlich das Licht über dem Altar verlischt: Der Bewegungsmelder in der Kirche ist nicht auf stille Einkehr eingestellt. Die Stadt ist fast ausgestorben, nur die arabischen Gemüsehändler haben geöffnet. Am Hafen finden wir ein Restaurant und sehen auf das Wasser vor dem Fenster hinaus. Rückweg mit Rückenwind.

Am Sonnabend fahren wir nach Gedser. Der Wind hat auf Süd gedreht. Er kommt direkt vom Meer und geht durch alles hindurch, was wir angezogen haben. Der Wartesaal im Fährterminal ist warm. Die Eisenbahnausstellung in der Remise am Hafen hat geöffnet. In einem Schuppen stehen alte Dampfloks, riesige Maschinen aus Stahl, mit stumpfen, schwarzen Körpern wie Walfische, die hier gestrandet sind.

Auf der Rückfahrt am Ostersonntag ist das gesamte untere Deck der Fähre leer, so wenige Autos sind unterwegs. Nur die Fahrradfahrer warten im Bauch des Schiffes darauf, dass sich die Heckklappe im Hafen öffnet. Auf der anderen Seite der Ostsee scheint die Sonne.

Weil ich vor der Reise vergeblich „Welchen Weg am besten mit dem Fahrrad von Gedser nach Marielyst?” gegoogelt hatte: Wir haben alle ausprobiert. Fahrt am besten den Fahrradweg neben der E55 bis Gedesby und von dort ostwärts bis zum Meer hinter Gedesby Strand. Auf dem Deich kann man sehr gut weiter nach Norden fahren.

Für mich begann David Lynch in Berlin. Ich war im Herbst 1990 nach Berlin gekommen. Draußen war gerade die Welt aufgegangen und ich hatte es immerhin bis in die nächste Großstadt geschafft. In den Kinos lief Wild at Heart und mit diesem Film habe ich mir die Westberliner Kinos erschlossen. Das wurde mein Bild von Amerika, ein Roadtrip, Luna und Sailor, Laura Dern und Nicolas Cage, die in einer leeren Landschaft aus dem Auto springen und in der Wüste neben der Straße tanzen. Falls ich einen Lieblingsfilm habe, ist es wahrscheinlich der. 1991 zog ich wieder zurück nach Greifswald und im Fernsehen lief Twin Peaks, wieder Provinz und Heimatgefühle. Die Bilder und die Musik: Roy Orbison, Angelo Badalamenti, Chris Isaak, Julee Cruise, alles nahm mich gefangen und für alles bin ich dankbar.

Das monatliche Skatturnier hat den Modus umgestellt: Es gibt jetzt Sachpreise — eine Art Präsentkorb, aber in einer Papiertüte. In der letzten Woche habe ich gewonnen (2 x 21 Spiele, 1406 Punkte, 4. Platz): 2 Kabanossi, 1 Rindersalami, 1 Mettwurst, 1 Dose Geflügelpaste, 1 Dose Heringsfilets, 1 Schachtel Éclats de Noisettes und 1 Packung Mangosaft. Es handelt sich ausnahmslos um Lebensmittel, die ich nicht essen soll. Ich habe die Kabanossi, die Kekse und den Saft verbraucht und den Rest verschenkt. Deutsche Skatkultur und gesunde Ernährung sind nicht miteinander vereinbar.

Ich saß zweimal am Vierertisch. Im ersten Durchgang hatte ich nach Skataufnahme in Mittelhand dieses Blatt. Ich drückte Karo Zehn und Pik Zehn und spielte Herz = 50 Punkte. Der Kartengeber durfte kiebitzen und sagte mir hinterher, dass der Grand mit Karo Zehn und Karo Dame gedrückt unverlierbar gewesen wäre = 120 Punkte. Ich bin mir da nicht so sicher, aber mit 70 Punkten mehr hätte ich eine noch größere Tüte bekommen.