Klagefall

Rewind Ringo (6)

Bad Boy lässt mich ratlos zurück. Ich höre mir für dieses Projekt die Platten mehrfach an, nicht nur nebenbei, sondern durchaus mit einiger Aufmerksamkeit, schließlich will ich danach noch etwas dazu schreiben. Und manche von Ringos Platten höre ich auch einfach so, gewissermaßen freiwillig, das brachte mich ja erst auf die Idee zu dieser Serie.

Also Bad Boy habe ich jetzt bestimmt zehn Mal gehört und das hätte ich nicht getan, wenn sich das Album nicht gut anhören ließe. Aber ich verstehe noch immer nicht, was Ringo damit wollte. Immerhin, der Ausflug in Disco ist wieder vorbei. Die Platte ist sauber produziert, die Musiker machen ihre Arbeit, Ringo trifft die Töne. Wir sind noch immer in den Siebzigern (1978) und die Songs klingen zum Glück auch so. Die Arbeit mit Vini Poncia wird fortgesetzt, zusammen schreiben sie zwei Songs, darunter den Opener Who Needs a Heart, der mir gut gefällt. Das einzige Problem des Songs: Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wenn er vorbei ist. So ähnlich geht es mir mit der ganzen Platte. Ringo spielt neben den beiden neuen Stücken acht Standards, alle gut ausgesucht, er hat einen angenehmen Musikgeschmack und kennt seine Sachen. Und klar, Where Did Our Love Go ist ein wunderbarer Song, aber warum singt Ringo diese Nummer? Sollte er das nicht lieber den Supremes überlassen? Können sie das nicht besser als er?

Ich nehme an, Ringo wollte einfach seinen auslaufenden Plattenvertrag erfüllen und anschließend auf einem Sessel vor dem Studio auf den Bahamas sitzenbleiben, mit einem Glas in der Hand und auf den Ozean gucken.

4 Kommentare

  1. Haben Sie das schon mitbekommen? Ich musste sofort an Sie denken, als ich es las.

    Paul McCartney to publish 900-page lyrical ‚autobiography‘

    The Lyrics, a ‘self-portrait in 154 songs’, will look at the people, places and circumstances behind songs written in boyhood, with the Beatles and beyond

  2. Stefan

    27. Februar 2021 um 20:16

    Oh, danke für den Hinweis! Das klingt nach einer guten Idee von Paul.

  3. Gern geschehen.

    Nachdem ich neulich zum x-ten Mal den Kommentar eines Brexiters las, die Beatles hätten schließlich auch ohne EU-Freizügigkeit in Hamburg gespielt, habe ich übrigens mal gesucht, ob die überhaupt ein Arbeitsvisum hatten. Hatten sie nicht, deshalb wurden sie im August 1960 erstmal sechs Stunden bei der Einreise festgehalten, sie logen und gaben sich als Sprachschüler aus. Wusste ich bis dato nicht. Auch nicht, dass Koschmider, dem auch der Striptease-Schuppen „Indra“ gehörte, in dem sie anfangs stundenlang spielten, ihnen dann die Arbeitsgenehmigung kurzfristig besorgte – die Arbeitsvisa von John Lennon sind online veröffentlicht worden (auf einem der Papiere ist ein Passfoto von ihm im Alter von 19 zu sehen).

    Neu war mir auch, dass George Harrison später festgenommen und ausgewiesen wurde, weil er erst 17 war. Dabei war dessen Geburtsdatum auf dem Antrag von Koschmider bei der Fremdenpolizei deutlich zu lesen – wussten oder kapierten die nicht, wo und um welche Uhrzeit die Beatles auftraten? Die Anschrift von Koschmiders Unternehmen stand doch auch darauf. McCartney und Best wurden bald darauf ebenfalls nach einer Nacht in der Zelle ausgewiesen – wegen angeblich versuchter Brandstiftung. Ich las, Koschmider selbst habe dafür gesorgt, weil sie vertragsbrüchig wurden und in einem anderen Club als seinem „Kaiserkeller“ spielten. Erstaunlich, dass sie im Frühjahr 1961 trotzdem wieder nach Deutschland einreisen und arbeiten durften.

    Es dürfte interessant werden, welchen Song oder welche Songs McCartney aus der ganz frühen Zeit auswählt oder ob er nur vom „Star Club“ erzählt (der Musikervertrag von April-Mai 1962 ist bei Sotheby’s für £35,000 versteigert worden).

  4. John Lennon meinte ja mal, dass die Hamburger Zeit der Höhepunkt der Beatles war, sie seien live eine verdammt gute Band gewesen. Ich weiß nicht, ob es das ernst gemeint hat. Auf jeden Fall haben sie sehr lange sehr viel geschuftet, bevor sie Erfolg hatten.

    Ich muss nochmal den Bekannten interviewen, der mal beiläufig fallenließ, dass sein Vater damals mit den Beatles „abhing“. Und die Freundin, deren Freundin in London Babysitter bei Julian Lennon war. Die Welt ist wirklich ein Dorf.

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