Autor: Stefan

McCartney III ist so ein gutes Album: unangestrengt, warm, fließend, absichtslos, sogar Pauls schwindende Stimme funktioniert dazu, vielleicht hat auch sie von der erzwungenen Konzertpause profitiert. Die Platte hat vor allem die richtige Länge, auch das unterscheidet sie von Egypt Station, mit der ich nie richtig vertraut geworden bin. Ich hätte diese Vermarktung deshalb nicht gebraucht, die ganzen Colored Vinyl, die Nummer 1 in den Charts und schon gar nicht ein Tribute Album wie dieses. Ich bin schon so zufrieden.

— Kommentar zu Mumien, Analphabeten, Diebe

Pasewalk

Man braucht einen guten Anlass, um nach Pasewalk zu fahren, aber den hatten wir.

Pasewalk ist eine Stadt aus dem Mittelalter. Die Häuser wurden in den allerletzten Kriegstagen abgeräumt und später durch Neubaublocks ersetzt. Drumherum steht noch die alte Stadtbefestigung.

Trotzdem: der Stadtgrundriss, der Doppelbahnhof, das Ueckertal: Schönheit gibt es überall.

Der Zug fährt nur alle zwei Stunden und wir haben die Fahrräder mit. Im Buchladen besorgen wir uns eine Fahrradkarte und fahren ein Stück voraus. Straßendörfer, die Häuser rot und ein bisschen zurückgesetzt, fast wie in Brandenburg. Das ist noch unser Landkreis, aber es ist nicht mehr Norddeutschland. Unterwegs kaufen wir in einer Holzbude Brot, es schmeckt großartig. Belling, Sandförde, Jatznick und dann noch ein Stückchen durch den Wald bis zur großen Forstsamendarre. Auf dem Bahnsteig gegenüber fährt der Zug nach Ueckermünde ab, hier sind wir schon einmal umgestiegen.

Heimatkunde, Wandertag.

Die kurze Spanne

Über The Great Span gelesen: direkte Verbindungen durch einzelne Menschen über große Zeitspannen hinweg. Menschen wie der 96-jährige Samuel Seymour, der 1956 in einer Fernsehshow erzählte, wie er als kleines Kind Zeuge des Attentats auf Abraham Lincoln wurde. Oder der Lehrer, der Scott Hühnercrisp erzählte, dass er als kleiner Junge einen alten Mann getroffen hatte, der wiederum als Kind bei Johannes Brahms zum Abendessen eingeladen gewesen war.

Mein Moment fand statt, als ich mit H. und H. das Kraftwerk in Peenemünde besuchte und am Ende der Ausstellung auf einer Tafel las, dass das Kraftwerk noch bis Ende März 1990 Strom produziert hatte. Die Fabrik, die eigentlich die Energie für den Bau der Wunderwaffe hatte liefern sollen, sorgte also am Ende für den Betrieb des kleinen Schwarzweißfernsehers, mit dessen Hilfe ich mich in den Nächten in der Telefonzentrale der 1. Flottille wachhielt. Schon damals war das Kraftwerk eine Mischung aus Bauruine und Museum, es war ein Wunder, dass das Ding überhaupt so lange in Gang gehalten werden konnte. Ich wusste nichts über Peenemünde, merkte ich, ich fuhr monatelang am Gerippe der Sauerstofffabrik vorbei, wenn es zurück in die Kaserne ging, jenseits der Mauer sah ich auf das alte Kraftwerk, im Wald standen die Flieger, alles war voller Geschichte, aber ich wusste nichts davon und es spielte keine Rolle.

Aber das ist nicht The Great Span. Es ist das Gegenteil. Ich bin jetzt weiter weg von 1990, als ich bei meiner Geburt vom Zweiten Weltkrieg entfernt war. Meine Mutter wurde im Krieg geboren, mein Vater kurz danach. Ich dachte immer, das sei alles sehr lange her, ein Fall für die Geschichtsbücher, für alte Filme, abgeschlossen, vorbei, dabei war seitdem kaum Zeit vergangen.