Am 4. Oktober 1989 waren A. und ich in der Werner-Seelenbinder-Halle bei Herman van Veen. Ich erinnere mich daran, dass ich einmal stundenlang vor der Halle nach Karten angestanden hatte, ich meine, es war für dieses Konzert, aber ich weiß es nicht mehr genau. Es war eine komische Zeit. Jeder wusste, dass es nicht so bleiben würde, wie es war, aber niemand wusste, was kommen sollte. In vier Wochen begannen für uns 18 Monate Nationale Volksarmee, das stand fest. Komm wieder, riefen die Leute im Publikum, und Herman van Veen sagte, dies sei das letzte Mal, er habe keine Lust mehr, immer in die DDR zu kommen, im nächsten Jahr sollten wir ihn in den Niederlanden besuchen, wir seien alle eingeladen. Damit konnte niemand etwas anfangen. Als wir auf dem Rückweg vom Konzert aus der U-Bahn kamen, rollten Panzer durch die Straßen. Ihre Ketten waren schon auf dem Bahnsteig unter der Erde zu hören gewesen. Sie übten für die Militärparade am Geburtstag der Republik.
Seitdem hatten A. und ich Herman van Veen nicht mehr gesehen. Wir sind 1990 nicht zu ihm gefahren. Wir haben ihn ein bisschen aus den Augen verloren. Vor ein paar Tagen war er in Neubrandenburg. Wir hatten Karten für die 1. Reihe und ein Plakat dabei.

Kommentare
Gänsehaut. Danke fürs Teilen!
Zu Hermann van Veens sanfter Stimme kann ich mir keinen größeren Kontrast als das dumpfe Geräusch rollender Panzer vorstellen. Eine erstaunliche Koinzidenz. Ich habe ihn nie live gesehen, ein guter Schulfreund war Fan. Wenn ich van Veens Stimme höre, die mir damals zu weich, nicht männlich genug war, muss ich an meine Jugend denken. Zu den seltsamen Geschichten, die er mit seinem starken holländischen Akzent in ausgefeiltem Deutsch gesungen hat, konnte ich damals keine Beziehung aufbauen. Das schien irgendwie so banal. Aber resultierte wahrscheinlich nur aus meiner Arroganz. Irgendwie war das Kindermusik. Aber seine unglaubliche Präsenz und ernsthafte wache Kindlichkeit üben heute eine starke Anziehung auf mich aus. Ich höre ihm einfach gerne zu. Ich glaube, ich sollte bald zu einem Konzert gehen, bevor es zu spät ist.
Eine schöne Geschichte. Als großer Fan von Herman van Veen (seit Anfang der 70er Jahre!) fühle ich mich besonders angesprochen.