Zitate

Ein paar Minuten später stellte sich Hifa neben mich. Wir hatten mittlerweile so viel Zeit miteinander verbracht, erst auf der Mauer und dann auf dem Wasser, dass der erste Teil unserer Gespräche immer schweigend stattfand.

— John Lanchester: Die Mauer

Allzu oft habe ich Herrn Hattwig allerdings nicht zu Gesicht bekommen, nur wenn ich in besagter Sitzung meine Titelfolge für die geplante Sendung „Tanzmusik — zwischen Nacht und Morgen“ regelrecht zelebrieren musste. In seinem geräumigen Büro hatte der Musik-Chefredakteur ein Klavier stehen, an dem er manchmal die gesamte Konferenz über saß und einige der aufgeführten Titel kurz anspielte.

Der Leitspruch von Martin Hattwig war: „Die zusammengestellten Programme müssen wie eine Komposition klingen!“ Und dafür gab es für uns beim „Komponieren“ einige Spielregeln: das Verhältnis zwischen melodischen und rhythmischen Titeln, auch, wie sie vom Techniker „ineinander“ zu spielen waren, war zu beachten, daneben der Wechsel von instrumentalen und gesungenen Stücken — nachts sollte ohnehin nicht so viel gesungen werden –, sogar die Tonarten sollten beachtet werden.

Wolfgang Martin schreibt in Wie die Westmusik ins Ostradio kam vor allem über seine spätere Zeit bei DT64, aber das ist die Stelle, die mich am meisten berührt hat. Wieviele Menschen mit großer Ernsthaftigkeit damit beschäftigt waren, das Nachtprogramm für einen Sender zusammenzustellen, mit vier Wochen Vorlauf, es gab sogar einen Redaktionsschluss. Radiomenschen, großartig, ich habe Sehnsucht nach dieser Zeit. Heute macht das ein Algorithmus.

Als er einmal ohne anzuklopfen nachbarschaftlich in ihr Zimmer gekommen war (damals wohnten sie und ihr Mann im ersten Stock des gemeinsamen Hauses, zusammen mit allen Stationsangestellten, erst später zogen sie in ein eigenes Ziegelhaus in der Nähe) und sie in einer winzigen flachen Schüssel stehen sah, in einer Hand einen Krug, mit der anderen hielt sie ihre Haare hoch, und die hereinscheinende Sonne sie durchleuchtete und er ganz deutlich ihr vogelgleich flatterndes Herz erkannte, die dunstig-massive Leber, die durchsichtige silberne Glocke der Harnblase, die hellblauen Knochen, die im rosa Gelee ihres Leibes schwammen — „Wanja?!“ –, da hatte er begriffen, dass er fliehen musste. Und war geflohen.

— Juri Nuida: Nulluhrzug