Klagefall

Kurzmitteilungen

Heute noch einmal im Buchladen. So gut wie alles andere bleibt offen, aber die Buchläden aber müssen schließen. Mal sehen, wieviele in ein paar Monaten wieder aufmachen werden. Draußen plünderten die Leute die Läden, drinnen war es ganz leer und still. Endzeitstimmung, ein bisschen.

Der Drogeriemarkt war zur Hälfte leer, sogar Zahnpasta wird knapp. Es ist wirklich verrückt. Die Deutschen haben sich dafür entschieden, das Virus mit Vorratswirtschaft und Dauershopping zu bekämpfen und nicht mit Zuhausebleiben. Selbst die kommende Ausgangssperre wird wohl ignoriert werden. What could possibly go wrong?

Den Baum auf dem Hof beschnitten. Die Vögel gefüttert, sie sind hungrig wie lange nicht. Der Frühling kommt unpassend.

Mein Bürorechner funktioniert zu Hause nicht und es wird eine Weile dauern, das zu ändern. Der Support ist völlig überlastet, weil sich natürlich alle gleichzeit überlegt haben, dass sie jetzt Home Office machen wollen.

Eine merkwürdige Abschiedsstimmung im Büro. Die Leute mit kleinen Kindern füllen Anträge aus, damit sie freigestellt werden können, die meisten wollen bleiben, ein paar gehen nach Hause, so wie ich. Ich schleppe einen Koffer voller Akten mit, das sollte ein paar Tage reichen.

Abends wird der Shutdown verkündet. Ein Gefühl von Erleichterung, dass die Urlauber verschwinden müssen, zurück nach Hamburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen. Der eigene Horizont reicht jetzt nur noch bis zur Landesgrenze. Als Nächstes wird es Ausgangssperren geben und was passiert dann? Ich kann mir keine Steigerung vorstellen, aber es wird eine Steigerung geben.

Alle Minister erzählen, dass sie eine Liste mit Aufgaben auf dem Schreibtisch liegen haben, die sie abarbeiten wollen, wenn das alles vorbei ist. Das klingt gut, ich glaube, weil es Zuversicht beinhaltet.

Ich versuche, meinen Schachverein in ein Online-Exil zu überführen. Die Schachserver sind so voll wie noch nie. Die ganze Welt sitzt vor dem Rechner und will sich ablenken.

Im Laden hatten sie heute wieder frisches Obst und Gemüse. Hoffentlich bleibt das so. Ich weigere mich, Dosengemüse zu essen.

Es hängt mit unserem Essen zusammen. Weil wir Tiere essen. Das war mir gar nicht klar.

Der Sturm tobt durch die Straßen, weht mich fast vom Fahrrad. Ich nehme ihn fast nicht wahr, fahre stoisch weiter, registriere kaum die Windrichtung (aus Süden). Was sonst das Gesprächsthema wäre, spielt keine Rolle mehr. Alle reden über das Virus, alle warten, dass etwas passiert, langsam rückt es näher, sehr langsam.

Beim ersten Fall macht uns das Gesundheitsamt die Bude dicht. Dann hängen wir draußen ein Schild an die Tür und gehen nach Hause. Morgen muss ich mal sehen, ob ich mich hier ins System einloggen kann, das soll angeblich gehen, über VPN, kaum zu glauben.

Am Nachmittag treffen wir uns im Koeppenhaus, beim Verabschieden sagt jemand, wer weiß, wann wir uns das nächste Mal sehen. Das Haus wird schließen, die Künstler sagen Stück für Stück ab und das Publikum wird auch nicht mehr kommen.

Es gibt dieses Spiel vom Kindergeburtstag, alle laufen um einen Kreis mit Stühlen herum und wenn die Musik ausgeht, müssen sie sich schnell hinsetzen und es gibt einen Stuhl weniger als es Kinder gibt. Reise nach Jerusalem, aber den Namen kannte ich damals nicht. So ähnlich ist das jetzt. Passt auf, dass ihr am richtigen Fleck seid, wenn es den Lockdown gibt.