Allzu oft habe ich Herrn Hattwig allerdings nicht zu Gesicht bekommen, nur wenn ich in besagter Sitzung meine Titelfolge für die geplante Sendung „Tanzmusik — zwischen Nacht und Morgen“ regelrecht zelebrieren musste. In seinem geräumigen Büro hatte der Musik-Chefredakteur ein Klavier stehen, an dem er manchmal die gesamte Konferenz über saß und einige der aufgeführten Titel kurz anspielte.
Der Leitspruch von Martin Hattwig war: „Die zusammengestellten Programme müssen wie eine Komposition klingen!“ Und dafür gab es für uns beim „Komponieren“ einige Spielregeln: das Verhältnis zwischen melodischen und rhythmischen Titeln, auch, wie sie vom Techniker „ineinander“ zu spielen waren, war zu beachten, daneben der Wechsel von instrumentalen und gesungenen Stücken — nachts sollte ohnehin nicht so viel gesungen werden –, sogar die Tonarten sollten beachtet werden.
Wolfgang Martin schreibt in Wie die Westmusik ins Ostradio kam vor allem über seine spätere Zeit bei DT64, aber das ist die Stelle, die mich am meisten berührt hat. Wieviele Menschen mit großer Ernsthaftigkeit damit beschäftigt waren, das Nachtprogramm für einen Sender zusammenzustellen, mit vier Wochen Vorlauf, es gab sogar einen Redaktionsschluss. Radiomenschen, großartig, ich habe Sehnsucht nach dieser Zeit. Heute macht das ein Algorithmus.