Schlagwort: Hamburg

Noch eine Familiengeschichte

Über das Zeitungsportal der Deutschen Digitalen Bibliothek bin ich auf diesen Bericht im Hamburger Fremdenblatt vom 12. Dezember 1901 gestoßen.

Schwerer verlief der Unglücksfall des Dampfers „Achroite“, den wir gestern auch telegrafisch mitteilten. Der englische Kohlendampfer „Achroite“ aus Glasgow, von Hamburg in Ballast nach der Tyne bestimmt, trieb am Montagabend mit gebrochenem Schaft in der Nähe von Helgoland unter Notsignalen, Hilfe verlangend. Gegen 3 Uhr heute Nacht traf der von der Nordsee nach Hamburg bestimmte Hamburger Fischdampfer „Erna H.H.“ den „Achroite“ in seiner hilflosen Lage an und erbot sich, denselben ins Schlepptau zu nehmen. Bei diesem Versuch geriet „Erna“ unter das Heck der „Achroite“, eine schwere See hob zu gleicher Zeit den „Achroite“, so dass derselbe dann auf „Erna“ fiel, dieselbe so schwer beschädigend, dass sie sofort sank; von der gesamten Mannschaft rettete sich nur der Netzmacher Josef Reichelt an Bord der „Achroite“, so dass neun Mann leider ihren Tod in den Wellen fanden. „Achroite“ verlor bei dieser Kollision das Ruder, den Hintersteven, Schraube und ist am Heck überall schwer beschädigt.

Von anderer Seite wird über den furchtbaren Schiffsunfall noch Folgendes berichtet: Die „Erna“ machte sofort alle Anstrengungen zur Rettung des bedrängten „Achroite“, sie kam näher und versuchte, eine Schlepptrosse nach dem gefährdeten Schiffe auszubringen. Nach vielen vergeblichen Versuchen fuhr die „Erna“ schließlich ans Heck des „Achroite“, um hier eine Schlepptrosse entgegenzunehmen. Dieses wurde zum Verhängnis. Die hochgehende See warf den „Achroite“ gleich einem Spielball empor. Das Schiff bäumte sich hoch auf, vergrub dann die Back tief in die See, um gleich darauf beim Wiederausrichten das Heck niedersinken zu lassen. Ein entsetzliches Krachen erfolgte: Das Heck des „Achroite“ war direkt auf die „Erna“ niedergefallen. In äußerst kurzer Zeit wiederholte sich der vorbeschriebene Vorgang: Das Heck des „Achroite“ donnerte noch einmal auf die „Erna“ nieder, dass letztere sogleich auseinanderbarst und in die Tiefe sank. Die aus Kapitän und neun Mann bestehende Besatzung der „Erna“ schwamm auf den wildempörten Wogen umher. Die Mannschaft des „Achroite“ musste zum eigenen Entsetzen untätig zusehen, wie die Leute von den gierigen Wellen verschlungen wurden, denn sie konnten nicht helfen, da ihr Schiff so stark schlingerte, dass bald die eine, bald die andere Seite des „Achroite“ ins Wasser tauchte. Das erschütternde Unglück hat sich in sehr kurzer Zeit vollzogen. Nur der Netzmacher Josef Reichel, ein im Jahre 1881 in Neustadt (Oberschlesien) geborener junger Mann, konnte an Bord des „Achroite“ gerettet werden. Alle übrigen braven Leute von der „Erna“, Kapitän und acht Mann sind ertrunken. Es sind 1) Kapitän H. Lühmann, gebürtig im Jahre 1869 zu Borstel, ansässig zu Leeswig, 2) Steuermann August Kalhorn, geboren im Jahre 1870 zu Alt Passarge in Mecklenburg, 3) Maschinist Herrmann Wagner, geboren im Jahre 1867 zu Fischau bei Danzig, 4) Zweiter Maschinist Arthur Proschinsky, geboren im Jahre 1869 zu Reudnitz, ansässig in Leipzig, 5) Heizer Wilhelm Wiechmann, geboren im Jahre 1377 zu Hoppenrade, ansässig in Fense, 6) Koch Wilhelm Dierking, 1870 in Rönnebeck geboren, in Geeste ansässig, 7) Matrose Heinrich Turowsky aus Burg in Dithmarschen, 1878 geboren, 8) Matrose Paul Engel, 1883 zu Bützow geboren, in Wismar ansässig und 9) Matrose Majus Poulsen aus Nakskov, 1881 in Sandby geboren. Diese sämtlichen neun Personen haben den Seemannstod erlitten.

Am Dienstagmittag traf der englische Dampfer „Corennie“ den „Achroite“ und versuchte denselben zu schleppen, jedoch zerrissen bei der hohen See bald dessen gesamte Trossen, so dass der dann eintreffende Hamburger Schleppdampfer „Vulcan“ zu Hilfe genommen wurde. Hierauf traf dann „Vulcan“ den „Achroite“ schleppend und „Corennie“ denselben steuernd, und nachdem unterwegs der Hamburger Schlepper „Tell“ noch ebenfalls angenommen wurde, der Schleppzug gegen 8.30 Uhr auf der Cuxhavener Reede ein. Von hier ging „Achroite“ im Tau der Schlepper „Vulcan“ und „Tell“ nach Hamburg auf.

Von den Verunglückten war nur der Steuermann Kalhorn verheiratet. Der brave Schiffsführer Kapitän Lühmann war verlobt und beabsichtigte, Weihnachten seine Hochzeit abzuhalten. Der Fischerdampfer „Erna“ ist 1890 erbaut, das Schiff ist 30 Tonnen groß und hat eine 250-pferdige Maschine.

August Kalhorn aus Alt Passarge in Ostpreußen (nicht Mecklenburg, hier irrt der Artikel) war der Bruder meines Urgroßvaters Georg, der auf den Darß gezogen war. Drei weitere Brüder sind im Ersten Weltkrieg gefallen. August war verheiratet mit Margarete Kinau aus Finkenwerder, einer Schwester von Gorch Fock. Das alles wusste ich bis gestern nicht.

Noch etwas zu Schallplatten

Auf Discogs schreibt mir jemand, ob die Matrizennummer auf der Auslaufrille meiner Odeon-Pressung von Love Me Do wirklich 17144-1 ist, wie in der Datenbank angegeben, insbesondere ob das -1 am Ende da ist. Ich bin froh, dass sich jemand um diese Dinge kümmert, hier scheint eine Unsicherheit entstanden zu sein. Ich hole die Kiste mit den Singles aus dem Schrank und schaue nach – alles in Ordnung.

Ich habe meine Platten noch einmal umsortiert, sie stehen jetzt alphabetisch im Regal, geordnet nach Bandnamen (ohne The) und Vornamen. Die Sortierung nach Vornamen ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber das habe ich schon in Nexø so gesehen, also warum nicht. Vor allem ist meine Sammlung auch bei Discogs so gelistet, also lasse ich Discogs entscheiden. Die Seite will auch, dass Wings und Paul McCartney nicht mehr nebeneinander stehen (sondern unter W und P), ich füge mich widerwillig. Plastic Ono Band Live Peace in Toronto 1969 habe ich aber bei John Lennon gelassen, das wäre selbst mir zu viel Ordnung.

In einem Hamburger Plattenladen ein Gespräch über Preise. Ich finde, Platten müssen billiger werden, damit sich die nächste Generation auch noch Musik leisten kann. Die alten weißen Männer mit Geld und Sammelleidenschaft, die jetzt noch die Läden bevölkern, sterben bald aus. Der Besitzer stimmt mir zu, aber was soll er machen, er ist hier in Eppendorf, die Leute kommen rein und sagen, was sie wollen, und dann zahlen sie einfach, was die Sachen kosten, und das ist auch wieder wahr.

In einem Plattenladen in Malmö ein Gespräch über Preise. Die Verkäuferin erzählt, dass die Dänen sich kaputt lachen, weil hier alles so billig ist. Sie haben eine fantastische Auswahl, nicht zu viel, ein bisschen schräg, überhaupt kein Schrott. Im besten Fall ist ein Plattenladen ein sozialer Ort wie dieser hier, mit einem Sofa, mit einem Kaffee, mit Stammkunden und Laufkundschaft, mit guter Musik. Ich hoffe, dass das nie aufhört.

Hamburg, vom Balkon der Elbphilharmonie gesehen