Schlagwort: Göteborg

Saltholmen

Willst du eine wirklich schöne Stelle wissen? Einen schönen Platz auf der Erde? Ja? Dann verrate ich dir jetzt etwas.

Wenn du mal in Göteborg bist … was immer eine gute Idee ist, vor allem im Sommer … wenn du also mal in Göteborg bist und dir die Stadt vielleicht zu anstrengend wird, kannst du einfach in die Straßenbahn mit der Nummer 11 einsteigen und bis zur letzten Haltestelle fahren. Mit einer der blauen rumpelnden Straßenbahnen durch Göteborg zu fahren, ist überhaupt eine schöne Möglichkeit, sich die Stadt in Ruhe anzusehen.

Die Straßenbahn fährt mühsam einen großen Berg hoch und danach werden die Häuser an der Straße immer kleiner. Jetzt bist du fast da. Du kannst die letzte Haltestelle nicht verpassen, die Straßenbahn fährt hier in einen Kreisel und dreht wieder um. Alle greifen ihre Picknickkörbe und Rucksäcke und steigen aus. Du läufst einfach hinterher. Wenn du ein Stückchen weiter in Fahrtrichtung gehst, siehst du schon ein Schild, auf dem in großen blauen Buchstaben SKÄRGÅRDSBÅTAR geschrieben steht. Kurz davor ist auf der rechten Seite der Bäckerwagen von Bosses Bageri: Wenn du es nicht sehr eilig hast, halte da an.

Saltholmen ist wie ein Bahnhof, nur ohne Dach und mit Schiffen. Ein perfekter Ort also. Von hier aus fahren die Boote zu den Inseln im Schärengarten ab. Es gibt Linien, einen Fahrplan und sogar sechs Bahnsteige. Auf den Boden sind mit gelber Farbe Wege gemalt, damit sich die Leute beim Ein- und Aussteigen nicht gegenseitig über den Haufen laufen. Viele Schweden halten sich daran.

Es ist schön, hier auf einer Bank zu sitzen, auf den Hafen zu sehen und auf sein Boot zu warten. Und dabei langsam die Sachen aus dem Bäckerauto aufzuessen.

Hast du auch einen Lieblingsplatz?

Brännö

Willst du eine wirklich schöne Stelle wissen? Einen schönen Platz auf der Erde? Ja? Dann verrate ich dir jetzt etwas.

Der Platz liegt auf einer Insel bei Göteborg. Die Insel heißt Brännö, du musst also mit dem Schiff dahin fahren, was schon mal eine feine Sache ist. Am besten fährst du nach Brännö Husvik im Süden der Insel, steigst aus und läufst dann immer den Weg entlang Richtung Norden. Erst geht es ein bisschen bergauf, dann kommt auf der rechten Seite ein Laden, in dem du Eis kaufen kannst und wenn du neben der Straße eine alte Schiffswerft siehst, bist du schon fast dort. Auf einmal stehen da ganz viele Fahrräder herum und dann bist du in Brännö Rödsten. Hier fährt das Schiff ab, mit dem du wieder nach Göteborg kommst.

Eigentlich sieht der Platz gar nicht so besonders aus. Da sind ein paar wacklige Bänke, auf die man sich setzen und warten kann und eine alte Holzbude, in der es komisch riecht. Nebenan stehen die Container, in die man seinen Müll reinschmeißt. Aber setz dich lieber auf den Poller, an dem die Boote festmachen können oder auf die Kaimauer. Auf der rechten Seite siehst du die Insel Asperö mit ihren kleinen Häuschen und auf der linken Seite Rivö, wo nur ein paar Schafe wohnen. Und zwischen diesen Inseln wird langsam das Schiff größer, mit dem du gleich losfahren wirst. Du kannst es nicht verpassen, es legt erst noch in Asperö an und wenn es ganz ruhig ist, hörst du von dort die Ansage der Schiffsleute über das Wasser hinweg: Asperö Norra. Da hast du schon die halbe schwedische Aussprache gelernt: das scharfe S und das rollende R und wenn du es richtig schwer haben willst, musst du noch nach Sjumansholmen fahren und aufpassen, wie die Leute das aussprechen.

Hast du auch einen Lieblingsplatz?

Am Ende des Sommers II

Das Ende für die Königslinie rückt näher. Stena Line nimmt das zweite Fährschiff aus dem Verkehr und fährt nur noch einmal am Tag nach Trelleborg und das auch noch nachmittags. Aber was soll man abends um acht in Trelleborg?

Es ist einfacher, am Rand zu leben, wenn man an einer Route ist. Selbst als die Mauer noch stand, fuhr nachts um halb zwölf der Malmö-Express aus Berlin, war halb zwei in Greifswald und um drei am Hafen. Die Nachtfähre über die Ostsee kam um sieben in Schweden an und auch, wenn für uns spätestens in Sassnitz Schluss war, wir waren unterwegs nach Norden.

Als die Fährgesellschaft noch dem Staat gehörte, gab es fünf Abfahrten am Tag und einen Gewinn für den Finanzminister. Das nennt man wohl eine gelungene Privatisierung.

Dann nehmen wir einfach die nächste Fähre. Vorbei.

Auf dem Schreibtisch liegt eine Woche Göteborgs Posten, die ich jeden Morgen aus dem Brännö Handel geholt hatte. In den schwedischen Zeitungen ist noch ein Rest Volksheim übrig, etwas für alle: Kochrezepte, Lokalsport, Comics, Beschwerden über die rumpelnde Straßenbahn und unhöfliche Jugendliche, Geburtsanzeigen, Nachrufe, Patti Smith und Arthur Rimbaud, Sprachpolitik.

Wir haben einen neuen Kühlschrank. Das Eisfach ist jetzt unten, ich muss mich nicht mehr auf den Küchenfußboden setzen, um die Sachen für das Frühstück rauszuholen. Ein wenig vermisse ich diesen Moment am Morgen, kurz vor halb sieben im Halbschlaf auf dem Boden sitzend, das immergleiche Bild vor Augen.

Vom Vångavallen bis zum Fährterminal sind es genau 18 Minuten zu Fuß.

Erst dieses Ding mit Ello und dann war sogar Quitter einen Augenblick lang wachgeküsst. Netznomaden.

Achthundert Feeds im / Eingang, im Zeltsack noch der / Regen Göteborgs

Als der Bahnübergang in der Gützkower Straße endgültig geschlossen wurde, standen wir in der Kälte und sahen den Bauarbeitern zu, wie sie erst die Straße und schließlich die Fußgängerbrücke sperrten. Der Mann neben mir sagte, dieser Weg lasse sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen, seitdem sei man hier, an dieser Stelle, nach Berlin gefahren und jetzt nicht mehr.