Schlagwort: Bornholm

Auf Bornholm

Auf der Fähre gibt es einen Rest Room mit doppelstöckigen Liegen. Es ist nichts zu hören, bis auf das Geräusch des Jungen nebenan, der vorsichtig einen Bonbon nach dem anderen aus einer knisternden Tüte auspackt. Ich bin kurz davor, hinzugehen und den ganzen Inhalt der Tüte auf einmal auszukippen, aber dann beruhige ich mich und falle ich in einen Dämmerschlaf.

Über der Ostsee schwebt ein warmer Dunst, der sich bis hinein nach Rønne wälzt. Im Industriehafen liegt ein großes Kreuzfahrtschiff. In der Stadt sehen wir eine improvisierte Haltestelle für den Shuttlebus. Es ist ein bisschen absurd.

Der Westwind ist zu schwach, um unser Schiff zum Schaukeln zu bringen, aber stark genug, um unsere Räder bis zum Ferienhaus auf der anderen Seite der Insel zu schieben. Danke, lieber Westwind.

E. sagt, es sei der schönste Strand, den sie kenne und das stimmt auch.

In der alten Molkerei gegenüber vom Laden ist eine Ausstellung. Wir sehen die Himmelstür, sie ist hellblau. Die Bilder sind schön, wir sind versucht, etwas zu kaufen, aber haben glücklicherweise ein Transportproblem. Wir wollen etwas von unserem Urlaubsgefühl mit nach Hause nehmen, aber das geht sowieso nicht. Die Dinge haben ihren Ort.

Am Abend stehen drei Rehe vor unserem Haus und knabbern am Laub der Bäume. Sie schauen zu uns, ich weiß nicht, ob sie uns sehen. Wir essen zusammen und auf einmal sind sie gegangen, diskret und leise.

Ich denke darüber nach, warum ich immer wieder an diese Stelle zurückkomme. Die Wahrheit ist wahrscheinlich, dass ich mich hier mit der Welt verbunden fühle. Der große Stein liegt noch immer an seinem Platz am Strand. Das Bäumchen vor dem Haus ist weiter gewachsen. Die Wurzel des Straßenbaums hebt langsam den Fahrradweg an. Die Stufe der Treppe hinunter zum Strand ist jetzt endgültig vermodert. Alles bleibt, alles verschwindet. Alles geschieht gleichzeitig auf der Oberfläche dieses Planeten, auf dem sich vor einer astronomischen Sekunde das Leben entwickelt hat. Aber die Stelle muss schön sein, sonst würde ich nicht wiederkommen.

Rehe, Spechte, Igel und Hasen zähle ich mit, die anderen Tiere nicht.

Nachsommer, Nachsaison.

Mit vielem habe ich gerechnet, aber nicht damit, in Nexø einen guten Plattenladen zu finden. Überhaupt ist Nexø die schönste Stadt auf Bornholm, angenehm überladen für ihre Größe und keine Puppenstube für Touristen. Eine winzige Hafenstadt, in der man das Meer riechen kann.

Nachts ist es stockfinster und leise, aber der Wald macht immer Geräusche.

Im Hafen läuft ein Kriegsschiff aus, wir hören auch den Schießplatz nebenan. Es stört mich nicht, im Gegenteil. So sind die Zeiten.

Am frühen Morgen wache ich auf, weil ich Schritte auf der Terrasse höre. Jemand geht um das Haus herum und dann noch einmal, er ist direkt unter unserem Fenster. Ich nehme allen Mut zusammen und gehe nachsehen. Es ist der Regen, der einen gleichmäßigen Rhythmus auf das Blechdach trommelt.

Am Samstagmorgen sitzen wir mit den anderen Fahrradfahrern auf dem Marktplatz von Rønne vor dem Bäcker und warten auf die Abfahrt. Transite, Durchgänge, Passagen. Erst in Stralsund trennen sich unsere Wege.

Die Ostsee ist jeden Tag anders.

#234

Abendlicht auf Bornholm

Nach Bornholm

Die erste Reise seit zwei Jahren. Zwischen den Inseln verkehrt ein neues Schiff. Die Sonne scheint und es geht kaum Wind. Wir sitzen draußen auf dem Deck und sehen den Leuten bei der Völkerverständigung zu.

Als wir in Rønne auf dem Fahrrad die Küstenstraße entlangfahren, muss ich mich innerlich kneifen, aber es findet tatsächlich statt. Wir sind unterwegs.

Alles, was wir anfassen, wird zu Gold. Es war also klar, dass wir die Campinghütte direkt vor dem riesigen Hüpfkissen bekommen. Daneben steht ein Partyzelt. Alle dänischen Schulen führen in dieser Woche ihre Klassenfahrt durch, auf unserem Zeltplatz. Die Nachsaison ist lauter, als wir dachten.

Tagsüber ist es noch Sommer, doch in den Nächten schon Herbst. Ich werde morgens von der Kälte wach.

Wir besuchen Jons Kapel. Wenn ich Prediger wäre, würde ich mir einen Ort suchen, der besser erreichbar ist, sonst kommt doch niemand und damals gab es noch nicht einmal die Treppe hinunter.

Diese Reise ist eine Vergewisserung. Es ist noch alles da: das Meer, der Strand, der Küstenwald, der Weg nach Pedersker, die Felder im Süden, der Bäcker in Aakirkeby. Das hört nicht auf.

Im September ist die Ostsee kühl und klar. Es dauert eine Ewigkeit, bis ich ganz im Wasser bin und schwimmen kann.

Wir brauchen keine zwei Stunden, um den Reiseführer für Hasle abzuarbeiten. Die Kirche ist geschlossen, der Hafen ist viel zu groß, der Kunsthandwerkermarkt ist ein Kunsthandwerkermarkt und in der Fischräucherei waren wir schon. Wir fahren sogar aus dem Ort hinaus, um uns den Runenstein anzusehen, auf dem nichts zu erkennen ist. Hasle ist wunderschön. Der Ort liegt auf vier verschiedenen Höhen und fast überall ist das Meer zu sehen.

Auf dem Rückweg zur Fähre, in der Morgendämmerung, steht ein Hirsch am Rand der Kiesgrube im Wald und sieht aufmerksam den Maschinen zu, die schon zu arbeiten begonnen haben.