Ljungskile

Ich gehöre leider nicht zu denjenigen Leuten, die ihr Leben nach dem Fußballkalender ausrichten. Aber es traf sich schon ganz gut, dass das Auswärtsspiel von Trelleborgs FF, mit dem mich eine unglückliche Liebe verbindet, im Sommer einigermaßen auf dem Weg lag. Trelleborg war gerade abgestiegen und die Leute, die ihr Leben nach dem Fußballkalender ausrichten, trösten sich dann mit dem Gedanken, dass sie jetzt wenigstens ein paar neue Stadien kennenlernen können. So kamen wir nach Ljungskile, einem kleinen Ort mit gut dreitausend Einwohnern an der Westküste, der wahrscheinlich nur durch seinen Zweitligaverein berühmt geworden ist.

Das Stadion von Ljungskile liegt außerhalb der Stadt hinter ein paar Weiden und Pferdeställen auf einer Waldlichtung. An den Längsseiten gibt es zwei Tribünen, die eine ist überdacht, der Rest ist offen. Am Eingang zum Stadion steht ein Kassenhäuschen aus Holz und für die Verpflegung gibt es einen Kiosk. Mehr braucht man auch nicht. Der Mann am Einlass schwärmt vom deutschen Fußball. Er war mal im Hamburger Volkspark, gegen Bayern München, siebzigtausend Zuschauer. Gegen Trelleborg werden es 735. Wir dürfen auf die Haupttribüne – heute werde es sowieso nicht so voll.

Im Stadion ist gute Stimmung, die Sonne scheint, alles ist sehr entspannt. Die Ballmädchen und Balljungen werden einzeln mit Namen vorgestellt und beklatscht. Während der Partie sagt der Stadionsprecher ständig die aktuellen Wettquoten durch, die Schweden lieben Sportwetten. Man kann auf den Ausgang des Spiels wetten, auf das genaue Ergebnis und auf die Anzahl der Tore. Es gibt auch irgendwelche Lose zu kaufen, deren System ich aber nicht verstanden habe.

Das Spiel ist schnell erzählt. Ljungskile bekommt gleich am Anfang einen Elfmeter, ich bin der einzige im Stadion, der protestiert, also kann man den wahrscheinlich geben. Trelleborg läuft den Rest der Partie diesem Rückstand hinterher, ohne Erfolg. Die meisten Zuschauer gehen zufrieden nach Hause. Am Ende der Saison wird Trelleborg ein zweites Mal abgestiegen sein. Im nächsten Jahr gibt es wieder neue Auswärtsfahrten. Fußball ist nie zu Ende.

Hannover

Vor der Rückfahrt aus Hannover steht plötzlich Egon Bahr neben mir auf dem Bahnsteig. Jemand, der auch öfter in der Zeitung ist, rollt seine Koffer. Sie stehen mit einer blauen Nil in den Händen neben dem Raucherbereich, gerade noch nah genug dran, um die Regeln zu akzeptieren, gerade schon weit genug weg, um sie zu übertreten. Ein kleiner gebückter alter Mann und sein Assistent. Sie reden über die Rede des Kandidaten und ich höre ihnen zu.

Der halbe SPD-Parteitag ist auf dem Bahnsteig. Sie haben gerade etwas entschieden, was die anderen schon für sie entschieden hatten und wollen jetzt weg aus diesem steingewordenen sozialdemokratischen Traum aus den siebziger Jahren und zurück in ihre Wohnungen und Büros in der neuen Mitte von Berlin. Gleich werden sie im ICE sitzen, mit ihren grauen Wollmänteln, mit ihren iPhones, mit der zusammengerollten Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, die Delegiertenkarte noch an die Hemdtasche geklammert und darüber nachdenken, an welcher Stelle sie abgekommen sind vom Weg zur klassenlosen Gesellschaft.

Hausschuhe

Das Schöne am Älterwerden ist, dass ich nicht mehr so sehr auf Kleidung achten muss. Bei dieser Frage ist der Druck raus. Wir reden jetzt mehr über Krankheiten und solche Sachen und darüber, dass man die Treppen vorsichtig heruntergehen sollte.

Mit Pullovern mache ich das schon länger. Das liegt auch ein bisschen daran, dass ich eine ähnliche Konfektionsgröße wie mein Vater habe und ab und zu etwas von seinen Stücken für mich abfällt. Ich mag Pullover mit komischen Aufdrucken, seltsamen Mustern oder bunten Streifen. Hauptsache, sie sind groß genug und passen irgendwie über den Kopf, die Schultern und über meinen Bauch.

Bei Sandalen ist es jetzt auch so. Ich hatte meine Sandalen mit dem ergonomischen Fußbett zu Hause vergessen und lief deshalb im Juli durch die vielen Schuhläden von Göteborg City auf der Suche nach neuen. Vor der Tür zum Kaufhaus stand wirklich ein schlaksiger Junge mit Gitarre und sang »13« von Håkan Hellström und die schwedischen Mädchen drehten sich nach ihm um. Im Laden roch es leicht nach Schuhkrem und nach Staub. In einer Kiste hatten sie unglaublich hässliche Sandalen mit einer flachen Sohle und einem Riemen aus einer wahrscheinlich atmungsaktiven Substanz, die mit Kunstleder und Jeansapplikationen überzogen war. Ich war glücklich.

Als Nächstes brauche ich eine Handgelenktasche und einen Rückspiegel für mein Fahrrad.