Im März II

Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem lächerlichen Emoticon verwandelt.

Vom Leben in der Filterblase. Einen halbfertigen und vollkommen redundanten Blogpost über den Zustand der Piratenpartei gelöscht. Jetzt brauche ich noch zwei halbfertige und vollkommen redundante Blogposts über die Ohnmacht der Netzgemeinde und über die Zukunft der Zeitung oder von Print, wie man jetzt immer so sagt.

Überhaupt würde ich am liebsten mal wieder eine Zeitung gründen.

Viele Gespräche über das Wetter, den Ostwind, den Schnee. Ostern fällt dieses Jahr noch in den März, die Ferien fangen schon im Juni an. Die Seen werden im Sommer zu kalt sein, um darin zu schwimmen. Das Auto muss in die Werkstatt. Ein Ferienhaus brauchen wir auch noch und der Euro ist weiter schwach.

Volker Braun: Gegen die maschinenlesbare Welt (Suhrkamp Verlag, 2013)

Mit dem Finger auf der Landkarte. Bei der digitalen Reise auf die Färöer stoße ich auf Leif Vollebekk. Weshalb schreibt jemand aus Montreal einen Song über Klaksvík? Und warum einen Walzer? Die Musik ist geduldig, zögert, hört fast auf und dreht dann doch weiter. Das neue Album ist ein Überseeimport. Beruhigung bei dem Gedanken, dass die globalisierte Kulturindustrie lückenhaft ist. Ich kann warten.

Am Ostermontag sitzen wir in der Kirche von Groß Tessin zwischen den Backsteinmauern aus dem 14. Jahrhundert und hören Renaissancemusik, Madrigale und Chansons. Es ist drinnen so kalt, dass der Chor kleine Wolken singt. Unsere Freunde singen den Winter aus der Kirche. Danach stehen wir vor dem Westportal, die Abendsonne wärmt die Steine und wir umarmen uns. Da war es schon April.

Jemand musste mit K. einen Link geteilt haben. Noch am selben Tag kündigte er seine Stelle bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt. Das nächste Romanfragment würde er über Startnext finanzieren.

Bei Tamanca auf La Palma

Zwei Gespräche

Ich kenne ihn vier Jahre. Ich weiß nicht, wie er heißt. Er sitzt wie jeden Tag auf einer Bank in der Stadt, grüßt und winkt mich heran.

– Hast du mal zwei Euro für Zigaretten?
– Geld schon wieder alle?
– Das Geld hat alles mein Betreuer. Ich krieg doch nur einmal die Woche Taschengeld.

Ich krame Geld aus dem Portemonnaie.

– Hey, du hast ja einen Bart.
– Die kümmern sich nicht um mich. Ich bin jetzt in L. im Haus der Hoffnung, das Heim von P. war dem Sozialamt zu teuer. Das ist ein Alkoholikerheim, weißt du, ich gehöre da nicht hin. Ich bin doch kein Alkoholiker.
– Aber setz dir eine Mütze auf bei dieser Hitze.
– Erstmal eine Mütze haben.

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Ich denke an U. zurück, den ich mal fragte, warum er dem Schnorrer etwas gebe, er kaufe doch nur Alkohol von dem Geld, oder Hundefutter, für den Hund sei wohl Geld da, er könne sich ja beim Amt melden, es müsse doch niemand hungern und frieren in diesem Land, die ganze Leier.

– Weil es Glück bringt. Ich gebe Bettlern immer etwas.