Januar

Die Idee, ein Blog auf einem Etherpad zu führen. Texte schreiben und offen hinstellen, mehr nicht. Keine Kommentare, keine Tags, keine Bilder, nichts weiter. Aber es ist nicht meine Idee.

Nachts, auf dem Weg nach Hause, der klare Himmel über Greifswald. Als Kind las ich Astronomiebücher und Science Ficton. Das Interesse an den Sternen erlosch in dem Moment, als ich verstanden hatte, dass wir dort aus physikalischen Gründen niemals hinfliegen und die anderen treffen würden und das nicht nur, weil es zu weit entfernt ist, sondern auch, weil sie schon lange wieder weg sind oder noch nicht da. Kein Trost in den Zeittheorien gefunden, da nicht verstanden.

In der 10. Klasse Astronomieunterricht mit einem kleinen Mann, der bei jedem Wetter in einem dünnen Pullover und einem abgewetzten Jacket in die Schule kam und zwischendurch mitten in der Schulstunde zum Rauchen verschwand.

Der Gedanke, was aus Georg Heym geworden wäre, wenn es im Januar 1912 keinen Frost gegeben hätte. Im Textkorpus kommt das Wort »Planet« viermal vor. Den großen Tag, wo zwei Planeten sich verbrüdern, will ich noch sehn.

Serielles Erzählen vs. abgeschlossene Geschichten. Perry Rhodan vs. Jerry Cotton. Das Elend der Cliffhanger, das Unfertige, die Verbindlichkeit, der Kosmos, der Überbau. In einem Comicforum war ich auf den Wunsch nach einer Serie gestoßen, die nie zu Ende sei, so wie Perry Rhodan. Danach führte der Weg über den Wikipediaeintrag (gibt es das noch?) direkt zum Bahnhofskiosk, Band 2531 Das Fanal, damit ging es los. Wie ich heute weiß, war es ein Füllroman ohne Handlungsfortschritt, ein Nachhall aus dem vorangegangenen Zyklus. Ich habe nichts verstanden.

Irgendwann sind alle Geschichten erzählt und ich kann bei Nachfragen zu meinem Leben einfach den Link zu dem betreffenden Eintrag in meinem Blog mitteilen.

Sprachen, in denen Redaktör mit ö geschrieben wird: Türkisch, Schwedisch.

Infolge der Erdneigung werden die Tage wieder länger.

Südtribüne

Die Südtribüne liegt im Schatten. Die Sonne in unserem Rücken dringt nicht durch diese graue Betonschüssel, aber der Wind tut es. Die Südtribüne ist Ultra-Land, keine Polizei, keine Ordner, straffe Selbstverwaltung. Im Fanzine zehn Verhaltensregeln: Schalpflicht, 90 Minuten Durchsingen, keine Fotos, so etwas.

Wir stehen auf den Stufen, ganz vorn sitzen die Capos mit Megaphon und sagen, was als nächstes kommt: Faust in die Luft, einhaken, singen, Polonaise, hinsetzen, aufstehen, Wechselgesang, pfeifen. Hier regiert der FCH, Ihr seid Wessis, Da steht ein Arschloch im Tor, Scheiß Sankt Pauli, Ostseestadion. Es ist eine Mischung aus Party und Nationaler Volksarmee.

Die Ultras haben den Support übernommen. Es gibt keine Kutten mehr. Aufstehen, Aufstehen! und das ganze Stadion steht auf. Die anderen hören auf uns. Der Support funktioniert unabhängig vom Spiel. Wenn wir schon Dritte Liga sind, sind wir wenigstens laut.

Schönheit

Mit meiner Maus ist etwas nicht in Ordnung. Der Linksklick funktioniert nicht richtig. Oder der Muskeltonus im rechten Zeigefinger lässt nach.

Der Xiangqi-Server läuft mit Drag & Drop. Ich muss die Figur mit dem linken Mausklick anfassen, ziehen und dann wieder loslassen. Manchmal klappt das nicht, vor allem bei langen vertikalen Zügen.

Der Schwarze schlug mit seinem Pferd meinen Berater in der Palastmitte 马7进5. Ich hatte es gesehen. Ich war vorbereitet. Ich war ruhig. Rot kann nicht zurückschlagen, als nächstes würden sonst mein Elefant auf der siebten Reihe fallen und beide schwarzen Wagen in meinen Palast fahren, was nicht auszuhalten ist. Aber 车八进七 hielte alles gut zusammen, der Wagen bietet auf der schwarzen Grundreihe Schach, der zweite Wagen auf der Mittellinie fesselt den schwarzen Berater, die schwarzen Elefanten sind aus der Verteidigung entfernt und Schwarz muss seinen Wagen auf der vierten Reihe aus dem Angriff zurückziehen – Wagentausch, ich nehme danach sein Pferd und die Stellung ist mit Mehrfigur gewonnen.

Aber mit meiner Maus war etwas nicht in Ordnung. Der Wagen fiel mir schon nach drei Feldern aus der Hand. Ich erklärte es meinem Gegner im Chat: mouseslip check intended! und bot Remis. Irgendwo auf der Welt saß also vanphai01 vor seinem Bildschirm und antwortete nicht, sondern zog einfach weiter, vielleicht sprach er kein Englisch. Die Asiaten machen sowieso nie Remis. Aufhören gehört nicht zum Konzept dieses Spiels. Die Asiaten spielen immer weiter.

Es geht darum, etwas zu Ende zu bringen. Es geht um gute Form. Es geht um Schönheit. Ich habe den Moment verpasst.