Kategorie: Weblog

Rewind Ringo (4)

1976 kam Ringo’s Rotogravure heraus und wir sind noch immer auf der Sonnenseite seines Musikkatalogs. Ich habe eine Schwäche für diese Platte, die man einfach mögen muss. Das geht schon mit dem Cover los. Im Gatefold sind lauter Polaroids der beteiligten Musiker, die Essen in der Hand halten. Auf der Rückseite ist ein Foto der von den Fans vollgekritzelte Bürotür von Apple. Der Erstauflage lag sogar eine Lupe bei, damit man die Sachen besser entziffern konnte. Auf dem Album sehen wir noch einmal das Schema seit Ringo: ein paar Klassiker, ein paar Songs der Kollegen aus der alten Band, ein paar eigene Nummern, fertig. Das funktioniert auch hier, aber eine Abwärtsbewegung ist nicht zu verkennen.

Der Anfang knallt mächtig, Ringo ruft Alright! und die Band legt mit A Dose of Rock ’n’ Roll los. Musik als Medizin, stimmungsaufhellend wie sonstwas. Hey Baby ist eine schöne Nummer aus dem Jahr 1962, Ringo ist auf sicherem Boden. Danach kommt die Komposition von Paul McCartney. Pure Gold ist vielleicht nicht sein allerbester Song, aber trotzdem McCartney. Paul und Linda singen Background. Cryin’ ist eigene Komposition, die auch eine Countrynummer aus den 50ern sein könnte. Die Seite endet mit You Don’t Know Me at All, ein seltsames, aber warmherziges Lied. Keinerlei Einwände gegen die erste Seite.

Die zweite Seite hält das Niveau nicht ganz. Cookin’ (in the Kitchen of Love) ist John Lennons Beitrag zum Album. Der Titel klingt, als ob Lennon ihn in einer Viertelstunde geschrieben hätte, nicht sehr komplex. Aber immerhin ist John hier das letzte Mal zu hören, bevor er endgültig zum Hausmann im Dakota Building am Central Park wurde. This Be Called a Song ist von Eric Clapton und das beste daran ist seine Gitarre. Für Las Brisas hat Ringo eine Band aus einem mexikanischen Restaurant ins Studio geholt, weil sie ihm so gut gefallen hat. Ringo kann auch Mariachi-Musik singen, klar. Ringo kann alles. Lady Gaye ist ein hübscher Ausklang, doch eigentlich hatte Ringo nur einem Song von Clifford T. Ward (Birmingham) einen neuen Text verpasst. Über Birmingham wollte er wohl nicht singen.

Zwischen all diesen Nummern ist das interessanteste Stück des Album versteckt: I’ll Still Love You von George Harrison. Die Geschichte dieses Songs (der davor auch Whenever und When Every Song Is Sung hieß) geht bis 1970 zurück. Harrison machte bei den Aufnahmen zu All Things Must Pass 40 Takes davon, bekam ihn aber nicht fertig. Danach arbeitete er mit Shirley Bessey, Ronnie Spector, Cilla Black und Leon und Mary Russell daran, immer ohne Erfolg. Ringo brachte das Stück schließlich heraus, vielleicht klappte es, weil George Harrison bei den Aufnahmen nicht dabei war. Es ist ein unfassbarer Song, man merkt, dass Harrison erst kurz zuvor Something geschrieben hatte. Auch Ringo bringt ihn nicht ganz zu Ende und zu gern hätte ich gehört, was vier Beatles zusammen in einem Studio daraus gemacht hätten.

Rewind Ringo (3)

Wir hören uns weiter durch den Katalog von Ringo Starr. Die nächste Platte ist ein häufiger Gast in Second-Hand-Läden. Sie erschien 1974 als Nachfolger zu Ringo und versucht ein bisschen das erfolgreiche Schema zu wiederholen: Produktion von Richard Perry und With a Little Help from His Friends. Wahrscheinlich wurde das Album sehr viel verkauft — und öfter als der Vorgänger aus der Plattensammlung aussortiert, ich weiß es nicht. Das Cover ist jedenfalls großartig: Ringo als Raumfahrer in der Filmkulisse von The Day the Earth Stood Still (der Film hat einen weiteren Bezug zu den Beatles, aber dazu vielleicht später einmal).

Die Platte beginnt wie die Feuerwehr. John Lennon zählt den Titelsong ein, den er für seinen alten Freund geschrieben hat und spielt das Piano. Der emotionale Höhepunkt kommt also gleich am Anfang. Krachiges Stück.

Danach kommen Occapella (naja) und Oo-Wee (ganz hübsch). Das nächste Stück Husbands and Wives ist ein Countrysong von 1966, aus dem Ringo ein leises und bewegendes Lied über eine Trennung macht. Seine Ehe ging damals auseinander und das ist in seiner Stimme zu hören. Es gibt nicht viele ernste Songs von Ringo, der hier gehört dazu.

Die erste Seite schließt mit dem Auftritt von Elton John, der für Ringo das schnelle Snookeroo beigesteuert hat. Der Text handelt von Ringos Aufwachsen in Liverpool, dieses Thema werden wir noch sehr häufig hören. Ein Klassiker, nach dem ersten Chorus kann man mitsingen und vergisst den Song nie wieder.

Die zweite Seite startet mit All by Myself etwas schwächer, aber alle haben ihren Spaß, es gibt Bläser und am Klavier sitzt ein gewisser Dr. John. Es folgt Call Me, das Ringo ganz allein geschrieben hat. Musikalisch keine Offenbarung, aber ein rührender Text für seine damalige Frau.

Mit dem No No Song nimmt die Platte wieder Fahrt auf. Eine wilde Nummer, der Text richtet sich gegen Alkohol und andere Drogen und ist eine glatte Lüge. Ringo war damals auf dem direkten Weg zum Alkoholiker.

Das beste Stück des Albums ist vielleicht Only You. Ringo nahm diesen klassischen Song aus dem Jahr 1955 auf Vorschlag von John Lennon auf. Ringo kennt seine Wurzeln, nichts daran auszusetzen. Easy For Me bleibt musikalisch in den 50er Jahren und ist der Beitrag von Ringos Trinkkumpan Harry Nilsson. Ganz am Ende gibt es eine Reprise von Goodnight Vienna, Lennon feuert die Band an („Okay, with gusto, boys, with gusto!“) und Ringo Starr verabschiedet sich am Schluss wieder vom Publikum und von den Musikern.

Also, wenn ihr die Platte irgendwo im Laden herumstehen seht, nehmt sie einfach mit. Keine Einwände. Die schwierigen Sachen kommen erst noch.

Usedom

Die Peenebrücke ist viel kürzer als in unserer Erinnerung.

Nach der Brücke nördlich am Peenestrom entlang.

In Zecherin war ich schon einmal vor zwanzig Jahren, ein Ortstermin am Hafen. Ich weiß noch, dass ich den Ort mit dem anderen Zecherin im Süden der Insel verwechselt hatte. Als ich dort, im anderen Zecherin, angekommen war, irrte ich zwischen den Häusern umher und suchte vergeblich nach einem Hafen. Im Auto schaute ich mir die Flurkarte aus der Akte an, es dauerte eine Weile, bis ich begriffen hatte, dass ich vierzig Kilometer vom richtigen Zecherin entfernt war. Den Rest des Verfahrens habe ich vergessen. Jetzt stehe ich hier, aber es fällt mir trotzdem nicht wieder ein.

Es scheint wirklich etwas übertrieben, einen Ortsnamen auf einer Insel doppelt zu vergeben, aber vielleicht wussten die Leute damals nicht voneinander.

Die Kühe auf der Wiese vor Karlshagen schauen uns interessiert an, als würden sie sich über die Abwechslung freuen. Freuen ist möglicherweise übertrieben, Kühe sind Stoiker mit einem gleichmäßigen Tagesablauf.

Wir fahren durch den Ort auf die Ostseeseite und durch den Wald nach Trassenheide. Wir sind fast allein, alle Urlauber sind vor ein paar Tagen abgereist. Das Meer ist still, es geht kaum Wind. Hinter der Kurklinik sind plötzlich Menschen zu sehen, sie sind unterwegs nach Zinnowitz an diesem Nachmittag, so wie wir.