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Neue Musik 2024

Das sind die im Jahr 2024 erschienenen Platten, die ich mir im letzten Jahr gekauft habe. Wenn es nach deren Anzahl geht, war 2024 ein gutes Jahr für neue Musik.

1. The Smile: Wall of Eyes

Das kam überraschend. Die Hälfte von Radiohead und ein Jazz-Drummer spielen leicht entrückte, progressive Stücke mit Sogwirkung. Kannte ich noch nicht, ein guter Jahresanfang.

2. Klez.e: Erregung

Im Grunde ist es The Cure in deutscher Sprache, das ist keine schlechte Idee, sondern eine Verbeugung.

3. Khruangbin: A La Sala

Ein Bass, ein Schlagzeug und eine elektrische Gitarre, die mit der Sicherheit eines Schlafwandlers über eine halb-ausgeleuchtete Bühne spazieren. Das Album klingt so sehr nach Khruangbin wie kein anderes, sie haben alles weggelassen, was nicht unbedingt nötig ist.

4. Dina Ögon: Orion

Dieselbe Besetzung wie Khruangbin zuzüglich einer Jazzsängerin, die Nummern 3 und 4 dieser Liste haben eine Menge miteinander zu tun. Skandinavischer Soul aus Stockholm, sehr warm, sehr tröstend.

5. Sean Ono Lennon: Asterisms

Ein gewaltiges instrumentales Fusions-Album, schwer zu beschreiben, sehr kosmisch. Miles Davis klingt manchmal durch, Lennon spielt eine schwere Gitarre dazu. Schon mit dem Claypool Lennon Delirium hat sich Sean Lennon weit von allen Erwartungen entfernt, ich mag das. Exzellente Musiker und eine klare Produktion, die Platte klingt phantastisch. Große Empfehlung.

6. Ringo Starr: Crooked Boy

Die nächste EP von Ringo, die ich als Komplettist natürlich kaufen musste. Dieses Mal hat er alles in die goldenen Hände von Linda Perry gelegt. Sie hat alle Songs geschrieben und produziert, was der Platte gut bekommt. Nach meinem Gefühl ist auch das Autotune heruntergefahren worden, Ringos Stimme klingt wieder etwas unsauberer, was mir gefällt. Im Januar kommt sein Country-Album, mehr davon dann in einem Jahr an dieser Stelle.

7. Crowded House: Gravity Stairs

In den Neunzigerjahren war ich noch nicht bereit für diese Band, aber seit einigen Jahren bin ich es. Das Plattencover mit Revolver-Referenz ist eine mutige Ansage, aber wenn das jemand machen darf, dann jemand mit solchen Harmonien.

8. Element of Crime: Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin

Der Soundtrack zum Film, für den ich mit A. extra nach Rostock gefahren bin. Ich hatte noch nie erlebt, dass im Kino mitgesungen wird, aber es hat mich überhaupt nicht gestört.

9. The Lemon Twigs: A Dream Is All We Know

Die Band der Stunde. Klar, alle reden über Golden Years, aber ist euch schon aufgefallen, dass Rock On (Over and Over) auch eine Wings-Nummer von 1972 sein könnte?

10. Cigarettes After Sex: X’s

Eine der Bands, die ich vor einiger Zeit im Radio gehört und anschließend in der Playlist des Senders nachgeschlagen habe. Als dann in diesem Jahr dort Tejano Blue lief, wusste ich schon Bescheid.

11. The Cure: Songs of a Lost World

Das Wunder ist ja nicht, dass nach 16 Jahren ein neues Album von The Cure erschienen ist. Das Wunder ist, dass sich das Warten gelohnt hat. Aber eigentlich machte ich mir deswegen keine Sorgen, nachdem sie Alone und Endsong schon auf dem Konzert gespielt hatten. Mein erstes wirklich wahrgenommenes Album war Disintegration, auf Kassette, im Walkman. Songs of a Lost World schließen da an. Kein Problem, wenn es dabei bleiben würde.

12. The Smile: Cutouts

Das zweite Album klingt nach den Sessions zu Nummer 1 der Liste, sehr improvisiert und wild.

13. Beth Gibbons: Lives Outgrown

Die nächste Überraschung des Jahres: Beth Gibbons macht noch ein Album, das man jederzeit auflegen kann. Wunderschön und ein paar Spuren führen zurück zu Portishead.

14. Leif Vollebekk: Revelation

Ich höre schon so lange Leif Vollebekk. Sein Publikum wächst und seine Musik auch. Die Platte gibt der Musik den Raum, den sie braucht. Das ist alles ein großes Glück. Lieblingslied: Sunset Boulevard Expedition.

15. Father John Misty: Mahashmashana

Noch mehr große Musik. Ich höre Harry Nilsson und George Harrison und noch viele andere Sachen.

Gesichter

Herr Buddenbohm brauchte einen neuen Personalausweis:

Ich stand dann einen Moment etwas entgeistert vor dem Gerät. Denn das Bild zeigte, als es endlich bei Kinn und Bartlinie angekommen war und das Gesicht vollständig freigab, nicht etwa mich, wie ich selbstverständlich erwartet hatte. Es zeigte vielmehr in aller Deutlichkeit meinen Vater.

Das Erlebnis hatte ich in diesem Jahr, als die Optikerin ein Foto von mir mit dem in Aussicht genommenen Brillenmodell machte (ich selbst konnte mich durch die Gläser ohne Stärke nicht im Spiegel erkennen) und es mir zeigte. Aus dem Bild sah mich mein Vater an.

Mein Personalausweis ist schon lange abgelaufen, aber der Reisepass ist noch gültig.

Nach dem Skatabend ein Gespräch mit einem Mitspieler aus der letzten Runde:

– Fährst du eigentlich LKW?
– Ich habe einen LKW-Führerschein, aber ich bin lange nicht mehr gefahren.
– Du bist also kein Fahrer?
– Ich glaube, meine Berechtigung ist inzwischen auch entfallen, die muss man regelmäßig erneuern, denke ich.
– Ich meine als Beruf?
– Nein, ich bin kein Fahrer. Wie kommst du darauf?
– Bei uns hat mal einer gearbeitet, der ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten. Ich hätte wetten können, dass du das bist. Wirklich erstaunlich.
– Das ist ja ein Ding. Wie heißt der denn?
– Der heißt R.V., er kommt aus Wolgast.
– Das kann ich nicht sein, ich bin aus Barth.

Rewind Ringo (10)

Auch diesen Teil der Serie habe ich lange vor mir hergeschoben, und wahrscheinlich gab es auch dafür Gründe.

Mit Vertical Man (1998) beginnt das dunkle Zeitalter, in dem kein Vinyl mehr gepresst wird. Ringo ist ein großer Liebhaber der Compact Disc, aber der große Speicherplatz kommt ihm hier nicht entgegen, das Album ist für das musikalische Material etwas zu lang. Gleichzeitig beginnt hier die Ära Mark Hudson, die später im Streit enden sollte, was auch der Grund dafür sein könnte, dass die Platte bis heute nicht gestreamt werden kann. Ich mag Mark Hudson, der sich im Post-Beatles-Universum einige Verdienste erworben hat und unter anderem Harry Nilsson und Joey Molland produzierte.

Vertical Man ist definitiv eines der stärksten Ringo-Alben. An vielen Stellen kommt es den Beatles wieder näher. King of Broken Hearts ist eindeutig der beste Song der Platte, die Melodie ist eingängig und schön, es gibt eine Bridge, ein Mellotron und Streicher, und George Harrison spielt ein hinreißendes Solo auf der Slide-Gitarre. La De Da ist ein Singalong mit einer kaum versteckten Anspielung auf Ob-La-Di, Ob-La-Da. Überhaupt ist das Album voller Hooks, die meisten Songs kommen mir beim Lesen der Trackliste wieder in den Kopf. I’m Yours ist ein Schlaflied mit einem Streicherarrangement von George Martin und erinnert an das letzte Stück des Weißen Albums, was ja keine schlechte Referenz ist.

Natürlich gibt es auch schwächere Songs. Warum Love Me Do noch einmal aufgenommen werden musste, ist nicht zu verstehen. Wahrscheinlich ist Ringo immer noch traumatisiert, weil er bei den Aufnahmen 1962 durch Andy White ersetzt wurde (zu Unrecht!), aber die Mundharmonika auf diesem Stück sollte John Lennon spielen und niemand anders. Und Mindfield zitiert überdeutlich We Didn’t Start the Fire, aber bei aller Liebe: Ringo Starr und Mark Hudson sind keine besseren Songschreiber als Billy Joel.

Trotzdem ist das Album absolut empfehlenswert, ich wünsche mir eine gekürzte Ausgabe auf Vinyl. Und die folgende Platte, die ich in den nächsten Wochen endlich ausführlich hören darf, sollte tatsächlich noch ein bisschen besser werden.