Kategorie: Weblog

Mit Dreien

Der Skatabend gestern hat mich 40 Euro gekostet: Einsatz 10 Euro, Gewinn 15 Euro, Saalrunde 45 Euro. Die Saalrunde wurde fällig, weil ich seit dem letzten Turnier Geburtstag gehabt hatte. Die zweite Saalrunde bezahlte jemand, der gerade 90 Jahre alt geworden war, er bekam im Gegenzug einen Präsentkorb. Ich bekam ein freundliches Gemurmel von den anderen Tischen.

In der ersten Runde spielte ich gegen den Mann, der die Skatrunde seit 30 Jahren organisiert hatte. Die Organisation hat er vor einigen Monaten abgegeben, als er krank wurde. Es geht ihm gar nicht gut, das war sehr traurig anzusehen. Vielleicht war es das letzte Mal für ihn.

Im Gegenspiel gegen dieses Blatt zeigte er nochmal, was für ein guter Skatspieler er ist. Ich hatte das Spiel ohne Gegenreizung für 18 bekommen und trotzdem keine Verstärkung im Stock gefunden. Mit den drei oberen Buben muss man 18 sagen, finde ich. Ich überlegte lange, was hier zu tun ist, drückte die Kreuz-Zehn und die Pik-Dame und sagte ein Herzspiel an. Obwohl ich alle Trümpfe auf meine drei Buben bekam, verlor ich das Spiel mit 60 Augen: Auf die Pik-Lusche fielen 21 Augen und das Karo-Ass saß zu dritt dagegen. Hätte ich beide Zehner gedrückt, wäre meine finanzielle Bilanz des Abends deutlich besser ausgefallen. Aber so war es auch gut.

Auf Falster

Am zweiten Tag schiebt der Wind den Nebel, der noch über dem Meer liegt, nach Marielyst hinein. Der kurze Sommer ist wieder vorbei. Von jetzt an wird es jeden Tag kälter.

15 Kilometer Gegenwind am Guldborgsund entlang, dann erreichen wir Nykøbing. Es ist Karfreitag, wir gehen in die Klosterkirche, um uns aufzuwärmen. Das Kirchenschiff ist flach und geheizt. Neben der Handdesinfektion hängt ein dreisprachiges Hinweisschild, auf dem dazu geraten wird, wegen der Brandgefahr einige Zeit vergehen zu lassen, bevor eine Gebetskerze entzündet wird. Wir sitzen in der Kirchenbank. Sanftes Erschrecken, als plötzlich das Licht über dem Altar verlischt: Der Bewegungsmelder in der Kirche ist nicht auf stille Einkehr eingestellt. Die Stadt ist fast ausgestorben, nur die arabischen Gemüsehändler haben geöffnet. Am Hafen finden wir ein Restaurant und sehen auf das Wasser vor dem Fenster hinaus. Rückweg mit Rückenwind.

Am Sonnabend fahren wir nach Gedser. Der Wind hat auf Süd gedreht. Er kommt direkt vom Meer und geht durch alles hindurch, was wir angezogen haben. Der Wartesaal im Fährterminal ist warm. Die Eisenbahnausstellung in der Remise am Hafen hat geöffnet. In einem Schuppen stehen alte Dampfloks, riesige Maschinen aus Stahl, mit stumpfen, schwarzen Körpern wie Walfische, die hier gestrandet sind.

Auf der Rückfahrt am Ostersonntag ist das gesamte untere Deck der Fähre leer, so wenige Autos sind unterwegs. Nur die Fahrradfahrer warten im Bauch des Schiffes darauf, dass sich die Heckklappe im Hafen öffnet. Auf der anderen Seite der Ostsee scheint die Sonne.

Weil ich vor der Reise vergeblich „Welchen Weg am besten mit dem Fahrrad von Gedser nach Marielyst?” gegoogelt hatte: Wir haben alle ausprobiert. Fahrt am besten den Fahrradweg neben der E55 bis Gedesby und von dort ostwärts bis zum Meer hinter Gedesby Strand. Auf dem Deich kann man sehr gut weiter nach Norden fahren.

Neue Musik 2024

Das sind die im Jahr 2024 erschienenen Platten, die ich mir im letzten Jahr gekauft habe. Wenn es nach deren Anzahl geht, war 2024 ein gutes Jahr für neue Musik.

1. The Smile: Wall of Eyes

Das kam überraschend. Die Hälfte von Radiohead und ein Jazz-Drummer spielen leicht entrückte, progressive Stücke mit Sogwirkung. Kannte ich noch nicht, ein guter Jahresanfang.

2. Klez.e: Erregung

Im Grunde ist es The Cure in deutscher Sprache, das ist keine schlechte Idee, sondern eine Verbeugung.

3. Khruangbin: A La Sala

Ein Bass, ein Schlagzeug und eine elektrische Gitarre, die mit der Sicherheit eines Schlafwandlers über eine halb-ausgeleuchtete Bühne spazieren. Das Album klingt so sehr nach Khruangbin wie kein anderes, sie haben alles weggelassen, was nicht unbedingt nötig ist.

4. Dina Ögon: Orion

Dieselbe Besetzung wie Khruangbin zuzüglich einer Jazzsängerin, die Nummern 3 und 4 dieser Liste haben eine Menge miteinander zu tun. Skandinavischer Soul aus Stockholm, sehr warm, sehr tröstend.

5. Sean Ono Lennon: Asterisms

Ein gewaltiges instrumentales Fusions-Album, schwer zu beschreiben, sehr kosmisch. Miles Davis klingt manchmal durch, Lennon spielt eine schwere Gitarre dazu. Schon mit dem Claypool Lennon Delirium hat sich Sean Lennon weit von allen Erwartungen entfernt, ich mag das. Exzellente Musiker und eine klare Produktion, die Platte klingt phantastisch. Große Empfehlung.

6. Ringo Starr: Crooked Boy

Die nächste EP von Ringo, die ich als Komplettist natürlich kaufen musste. Dieses Mal hat er alles in die goldenen Hände von Linda Perry gelegt. Sie hat alle Songs geschrieben und produziert, was der Platte gut bekommt. Nach meinem Gefühl ist auch das Autotune heruntergefahren worden, Ringos Stimme klingt wieder etwas unsauberer, was mir gefällt. Im Januar kommt sein Country-Album, mehr davon dann in einem Jahr an dieser Stelle.

7. Crowded House: Gravity Stairs

In den Neunzigerjahren war ich noch nicht bereit für diese Band, aber seit einigen Jahren bin ich es. Das Plattencover mit Revolver-Referenz ist eine mutige Ansage, aber wenn das jemand machen darf, dann jemand mit solchen Harmonien.

8. Element of Crime: Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin

Der Soundtrack zum Film, für den ich mit A. extra nach Rostock gefahren bin. Ich hatte noch nie erlebt, dass im Kino mitgesungen wird, aber es hat mich überhaupt nicht gestört.

9. The Lemon Twigs: A Dream Is All We Know

Die Band der Stunde. Klar, alle reden über Golden Years, aber ist euch schon aufgefallen, dass Rock On (Over and Over) auch eine Wings-Nummer von 1972 sein könnte?

10. Cigarettes After Sex: X’s

Eine der Bands, die ich vor einiger Zeit im Radio gehört und anschließend in der Playlist des Senders nachgeschlagen habe. Als dann in diesem Jahr dort Tejano Blue lief, wusste ich schon Bescheid.

11. The Cure: Songs of a Lost World

Das Wunder ist ja nicht, dass nach 16 Jahren ein neues Album von The Cure erschienen ist. Das Wunder ist, dass sich das Warten gelohnt hat. Aber eigentlich machte ich mir deswegen keine Sorgen, nachdem sie Alone und Endsong schon auf dem Konzert gespielt hatten. Mein erstes wirklich wahrgenommenes Album war Disintegration, auf Kassette, im Walkman. Songs of a Lost World schließen da an. Kein Problem, wenn es dabei bleiben würde.

12. The Smile: Cutouts

Das zweite Album klingt nach den Sessions zu Nummer 1 der Liste, sehr improvisiert und wild.

13. Beth Gibbons: Lives Outgrown

Die nächste Überraschung des Jahres: Beth Gibbons macht noch ein Album, das man jederzeit auflegen kann. Wunderschön und ein paar Spuren führen zurück zu Portishead.

14. Leif Vollebekk: Revelation

Ich höre schon so lange Leif Vollebekk. Sein Publikum wächst und seine Musik auch. Die Platte gibt der Musik den Raum, den sie braucht. Das ist alles ein großes Glück. Lieblingslied: Sunset Boulevard Expedition.

15. Father John Misty: Mahashmashana

Noch mehr große Musik. Ich höre Harry Nilsson und George Harrison und noch viele andere Sachen.