Monat: Januar 2017

#025

Der Tag mäandert dahin. Vormittags in der Bibliothek mit den Sichtbetonwänden. Alle Bücher zum Naturschutzrecht beiseite gelegt, die älter als fünf Jahre sind. Davon ist nichts mehr wahr, von meinem Studium ganz zu schweigen. Vielleicht sollte ich so ein juristischer Wutbürger werden: Schuldrechtsreform rückgängig machen! Europarecht abschaffen! Umgehende Wiederherstellung des Instituts des besonderen Gewaltverhältnisses! Mittags zeigt mir mein Physiotherapeut auf dem Flur der Klinik, wie ich richtig gehen soll. Das Knie gedanklich ganz leicht nach innen drehen, so wie wir es gerade geübt haben. Am Nachmittag im Büro ein plötzlicher Schreibfluss und ich bleibe länger.

Am Abend höre ich die Geschichte von der albanischen Familie, die heute morgen um halb sechs aus der Wohnung geholt wurde. Der Vater sollte mit den drei Kindern ins Flugzeug, der Antrag der kranken Mutter läuft noch. Die Familie hat Unterstützung, die Ausländerbehörde, Anwalt und Gericht abgeklappert haben. Die große Tochter durfte schließlich bei ihrer Mutter bleiben und am Ende fuhren auch die anderen drei vom Flughafen hierher zurück. Alles ist nur aufgeschoben.

#024

Ich frage auf Twitter nach einem guten Jazzradio und kid37 weist mich auf The Lake Radio hin. Kannte ich schon, hatte ich aber aus den Augen verloren, vor allem, weil ich die Station beim ersten Mal nicht auf meinem uralten Internetradio gefunden hatte. Das Radio benutzt Reciva als Plattform und obwohl eine Recherche nur auf jahrealte Links zeigt, scheint sie noch aktualisiert zu werden. The Lake Radio ist unter Dänemark eingeordnet und läuft jetzt tatsächlich auf meinem Sangean. Kein Jazz, aber große Radiokunst.

Hauptbahnhof

Am Bahnhof wartet neben uns geduldig ein Mann, bis wir mit dem Fahrkartenautomaten fertig sind. Ob wir helfen könnten. Er zeigt ein Wochenendticket für drei Personen, sie wollten nach Dortmund. Es ist sehr optimistisch, mit einem Wochenendticket von Greifswald nach Dortmund zu fahren, vor allem, wenn es schon Nachmittag ist. Ich klicke mich durch die Fahrplanauskunft (Greifswald-Dortmund, nur Nahverkehr), die mir als nächste Verbindung einen Zug um 16.41 Uhr, drei Stunden Aufenthalt nachts in Bielefeld und eine Ankunft nach 7 Uhr anzeigt. Der Mann guckt ein wenig verzweifelt und zeigt mir auf seinem Smartphone einen Zug nach Berlin. Ich will die ganze Verbindung herunterscrollen, aber es ist nur ein Bildschirmfoto. Ich versuche, die arabischen arabischen Ziffern zu lesen, ein bisschen kann ich das noch und er lacht und liest es mir in einer Mischung aus Deutsch und Englisch vor. Abfahrt 14.41 Uhr (klar, es fährt alle zwei Stunden ein Zug), halb sechs in Berlin. Ich suche im Automaten Berlin-Dortmund, nur Nahverkehr, ab 18 Uhr und tatsächlich gibt es eine Verbindung, die morgens um halb vier in Dortmund sein soll. Letzter Umstieg kurz nach drei in Wanne-Eickel und für die letzte Stück brauche er eine neue Fahrkarte, das Wochenendticket gelte nur bis 3 Uhr, ich will ihnen Ärger ersparen. Ich drucke ihm alles aus, Greifswald-Berlin und Berlin-Dortmund, in Berlin müsse er im Bahnhof von ganz unter nach ganz oben und er nickt, das kennt er schon. Wir schütteln uns die Hände. Danke, Gute Reise.