Zitate

Entropie

Unsere Osterfreunde hatten mir ein Buch ins Krankenhaus geschickt zur Erinnerung an die gemeinsame Zeit auf der Pfaueninsel und am Tag vor dem Eingriff las ich es und zum Ende hin holte ich mir einen Stift aus der Tasche und fing an, ein paar Anstreichungen zu machen.

Das Vergehen der Zeit, dachte sie, war ja vor allem ein Vergehen von Zukunft und ein Sieg der Vergangenheit. Einer Zeit also, zu der sie gehörte und die nicht verging. Wie verging einem Tier im Käfig seine Zeit? Oder hatten die Tiere, die ja nicht wussten, dass sie sterben mussten, gar keine? Wie seltsam, dachte sie, dass eine Welt vergehen und zugleich dableiben konnte. Dass immer mehr verschwand als entstand und doch alles zunahm. Jeder Liebende ist ein Überlebender. Doch auch die Toten sind weiter unter uns, als wäre nichts geschehen. Jeder Garten ein Friedhof.

– Thomas Hettche: Pfaueninsel

Stumm aus freiem Willen Der Fischer Anders Ålander aus Norfjärden, Gnarp, 55 Jahre alt, war bis vor etwa zehn Jahren ein gewöhnlicher Mensch, redsam und bei gesundem Verstand. Dann begann er in sich gekehrt und grüblerisch zu werden, still und wortkarg. Nach dem Grund gefragt erklärte er, dass es Sünde sei, mehr als ja und nein zu sagen. Und dabei blieb es. Seitdem sind zehn lange Jahre vergangen; Frau, Kind und zwei Brüder haben währenddessen jeden Tag mit ihm zusammengelebt, ohne von ihm mehr zu hören als ein gemurmeltes Ja oder Nein. Und trotzdem ist er beim Fischen dabei, rudert mit den anderen auf den See, knotet im Winter mit großem Geschick Schlingen und Netze. Stets und ständig steht er aber den halben Tag am Fenster und schaut hinaus, vor sich hin murmelnd.

– aus: Jämtlandsposten 1886, via Kungörelser

mark793 war im Tomographen:

Es fing schon mit dem Plexiglashelm an, der mir zusammen mit einem Paar Ohrenschützer über den Kopf gestülpt wurde, da kriegte ich bereits Beklemmungen, bevor ich überhaupt in die enge Röhre geschoben war.

Ich erinnere mich auch mit Schrecken an den von beiden Seiten eingeklemmten Kopf, der zu allem Überfluss noch von oben mit einer Art Torwartmaske wie beim Eishockey abgedeckt wurde. In der engen Röhre völliger Verlust des Zeitgefühls. Es endete erst dann, als ich mir vornahm, bis hundert zu zählen und dann den Gummiball in meiner Hand zusammenzupressen. Immerhin lief kein Kontrastmittel in die punktierte Vene, sonst würde es ernst werden, ahnte ich.