Kurzmitteilungen

Der Sturm tobt durch die Straßen, weht mich fast vom Fahrrad. Ich nehme ihn fast nicht wahr, fahre stoisch weiter, registriere kaum die Windrichtung (aus Süden). Was sonst das Gesprächsthema wäre, spielt keine Rolle mehr. Alle reden über das Virus, alle warten, dass etwas passiert, langsam rückt es näher, sehr langsam.

Beim ersten Fall macht uns das Gesundheitsamt die Bude dicht. Dann hängen wir draußen ein Schild an die Tür und gehen nach Hause. Morgen muss ich mal sehen, ob ich mich hier ins System einloggen kann, das soll angeblich gehen, über VPN, kaum zu glauben.

Am Nachmittag treffen wir uns im Koeppenhaus, beim Verabschieden sagt jemand, wer weiß, wann wir uns das nächste Mal sehen. Das Haus wird schließen, die Künstler sagen Stück für Stück ab und das Publikum wird auch nicht mehr kommen.

Es gibt dieses Spiel vom Kindergeburtstag, alle laufen um einen Kreis mit Stühlen herum und wenn die Musik ausgeht, müssen sie sich schnell hinsetzen und es gibt einen Stuhl weniger als es Kinder gibt. Reise nach Jerusalem, aber den Namen kannte ich damals nicht. So ähnlich ist das jetzt. Passt auf, dass ihr am richtigen Fleck seid, wenn es den Lockdown gibt.

Nach Sassnitz

Der Fährhafen liegt im Winterschlaf. Erst hat Sassnitz den Hafen an Mukran verloren und jetzt fährt von Mukran auch nichts mehr.

Wir sitzen auf der Bank vor dem Bahnhofsgebäude und gucken hoch zur Stubnitz. Sassnitz liegt im Gebirge.

Der Zug fährt ein. Der neue Streckenbetreiber hat sich von der Österreichischen Bundesbahnen ein paar Wagons ausgeborgt, wie passend. Jemand hat an meinem Platz eine Zeitung liegengelassen, ein Hamburger Abendblatt. Vor ein paar Jahren waren die Züge noch voller Fundstücke, vor allem die Fernzüge, aber jetzt liest niemand mehr Zeitungen und ihre Smartphones lassen die Leute nicht liegen, zum Glück.

Der Schulhof in Barth war asphaltiert. An der Stirnseite waren mit weißer Farbe Markierungen aufgebracht, für jede Klasse. Wenn es zum Reingehen klingelte, mussten wir uns dort klassenweise in einer Doppelreihe aufstellen, und wenn alle endlich stillstanden, nickte uns der Lehrer zu, der die Hofaufsicht machte, und wir durfte zurück in das Schulgebäude gehen. Es gab nur eine schmale Tür an der Seite der Schule, gegenüber vom Toilettenhäuschen. Der Haupteingang war verschlossen, und wahrscheinlich war das schon die Begründung für das ganze Verfahren: Wenn alle gleichzeitig versuchen würden, durch die einzige Tür zu kommen, würde es nicht funktionieren. Es musste geordnet ablaufen.

Als ich nach Greifswald kam, wunderte ich mich deshalb sehr, dass es auch anders ging. Kein Anstellen, keine Kommandos, wenn es klingelte, gingen alle einfach rein und wer cool war, wartete damit bis zum letztmöglichen Moment. Das war Freiheit.