Klagefall

Kurzmitteilungen

Nach Sassnitz

Der Fährhafen liegt im Winterschlaf. Erst hat Sassnitz den Hafen an Mukran verloren und jetzt fährt von Mukran auch nichts mehr.

Wir sitzen auf der Bank vor dem Bahnhofsgebäude und gucken hoch zur Stubnitz. Sassnitz liegt im Gebirge.

Der Zug fährt ein. Der neue Streckenbetreiber hat sich von der Österreichischen Bundesbahnen ein paar Wagons ausgeborgt, wie passend. Jemand hat an meinem Platz eine Zeitung liegengelassen, ein Hamburger Abendblatt. Vor ein paar Jahren waren die Züge noch voller Fundstücke, vor allem die Fernzüge, aber jetzt liest niemand mehr Zeitungen und ihre Smartphones lassen die Leute nicht liegen, zum Glück.

Der Schulhof in Barth war asphaltiert. An der Stirnseite waren mit weißer Farbe Markierungen aufgebracht, für jede Klasse. Wenn es zum Reingehen klingelte, mussten wir uns dort klassenweise in einer Doppelreihe aufstellen, und wenn alle endlich stillstanden, nickte uns der Lehrer zu, der die Hofaufsicht machte, und wir durfte zurück in das Schulgebäude gehen. Es gab nur eine schmale Tür an der Seite der Schule, gegenüber vom Toilettenhäuschen. Der Haupteingang war verschlossen, und wahrscheinlich war das schon die Begründung für das ganze Verfahren: Wenn alle gleichzeitig versuchen würden, durch die einzige Tür zu kommen, würde es nicht funktionieren. Es musste geordnet ablaufen.

Als ich nach Greifswald kam, wunderte ich mich deshalb sehr, dass es auch anders ging. Kein Anstellen, keine Kommandos, wenn es klingelte, gingen alle einfach rein und wer cool war, wartete damit bis zum letztmöglichen Moment. Das war Freiheit.

Der Mann von der Versicherung hat sein Büro draußen in Schönwalde. Er machte in einem Formular unschlüssig ein paar Kreuze, so genau wisse er das auch nicht, aber wir versuchen es mal so. Das Büro ist ein Zimmer im alten Lehrlingswohnheim. Ich war schon einmal in dem Haus, die Mädchen aus meiner Klasse hatten irgendwo ein paar Jungs von dort kennengelernt und nahmen mich zu einer spontanen Party mit. Soweit ich mich erinnere, war es schnell und heftig, kein Abwarten, kein Gequatsche, wir mussten um halb elf zurück im Internat sein, im Block gegenüber auf der anderen Straßenseite, und hatten für so etwas keine Zeit.

Weil wir schon einmal so weit draußen waren, fuhren wir auch noch den Rest bis ganz vor die Stadt in das Einkaufszentrum, das am Montagvormittag ein Rentnerparadies war. Der Mediamarkt hat eine Plattenabteilung und ich fand Get Well Soon. Ich versuche es ja.

Im Rosengarten gibt es jetzt ein kleines persisches Restaurant, das war schön.