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Marita Ekblad: Auf dem Tisch

An der flachen Öffnung des Restwalds kommt neues Licht an
unter den Spuren geht die Schneeschmelze in einem reißenden Strom weiter
unsicher wie lange.

Im bequemen Sessel und von den warmen Strahlen der Leselampe
ist die Schreibweise unverändert
leg meine Trägheit zur Seite auf einen Tisch

auf dem schon eine Kunstpostkarte liegt, eine Schwarz-Weiß-Radierung
der Titel Frühlingswinter
darauf ein paar schlaksige Fichten mit unsicherem Gleichgewicht.

Übersetzt nach Marita Ekblad: På bordet (Pequod Nr. 40, 2007)

Eine unerwartete und unmittelbare Angst ergriff uns, als als wir auf der Reise zu einer Konferenz des europäischen Netzwerks für Kulturzeitschriften Eurozine auf der Fähre zwischen Karlskrona und Gdynia übernachteten. Das moderne Reisen, das oft in einem Klima kommerzieller Ablenkung und künstlicher Sicherheit geschieht, vermochte diese Illusion bei Windstärke 7 auf der Ostsee nicht richtig aufrechtzuerhalten. Uns ist bewusst, dass dieser Wind noch verhältnismäßig schwach war und dass alle, die auf dem Meer arbeiten und zumal jene, die aus vollkommen anderen und viel zwingenderen Gründen als wir das Meer überqueren müssen, viel größeren Anlass zu Todesangst haben. Aber nichtsdestotrotz. Wir lagen in der Kabine in unseren schmalen Etagenbetten und erlebten wieder und wieder das schwindelnde Gefühl der Schwerelosigkeit, das entstand, bevor die Gravitation ein weiteres Mal die Fähre und uns in eines der tiefen Wellentäler hinunter schickte. Auf dem Autodeck gingen die Alarmanlagen an und wir dachten an das, was wir über die Panik auf der Estonia gelesen hatten: dass die Menschen, als sie sich beim Kampf auf das Deck zu kommen auf den engen Fluren übereinander pressten, überhaupt nicht sprachen, sondern nur noch dumpfe Laute von sich gaben, wie Tiere. Wir versuchten nicht daran zu denken, dass wir nun selbst an einer solchen Stelle waren: inmitten eines Schiffsbauchs aus Blech auf einer unendlichen, dunklen Fläche aus schaukelnder See.

– aus: Ann Ighe und Marit Kapla: Redaktionelle Einleitung, Ord&Bild 5:2016

Ellis Burrau: Drei Gedichte

Ist es zu früh alles zu romantisieren

als ich im Fältöversten stand
kam ein junger Mann mit Basecap zu mir
und fragte wie mir spontan
ein Produkt oder zwei gefallen würden
die er in der Hand hatte

ich sagte dass ich das Produkt
ganz okay fände
und dass ich bereit sei
40 Kronen zu zahlen
weil ich wollte dass er geht

ich wollte dass er mich
in Ruhe lässt

Höflichkeit ist sexy

auf der Arbeit kam
ein Polizist rein
der sagte
ich bin Polizist
ich muss noch
ein Stockwerk höher
und in Richtung
Zentrum gucken

Weil ich Galas mag liege ich natürlich auf der Couch und gucke die Kinderkrebsgala

stell dir vor es wäre dein Ding
nach Oslo zu fahren und dich tätowieren zu lassen
immer mal wieder
nur weil es ein bisschen teurer ist
sich in Oslo tätowieren zu lassen

Übersetzt nach Nyskrivet: Ellis Burrau (10TAL 23-24/2016). »Fältöversten« ist ein Einkaufszentrum in Stockholm.