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Charles Bukowski: Splash

du denkst, du liest einfach
das Gedicht hier.
doch in Wirklichkeit ist das
mehr als ein
Gedicht.
das ist das Messer des Bettlers.
das ist eine Tüte.
das ist ein Soldat, der durch
Madrid marschiert.
das bist du, auf dem
Totenbett.
das ist Li Bai, unter
der Erde, lachend.
das ist kein gottverdammtes
Gedicht.
das ist ein schlafendes Pferd.
ein Schmetterling
in deiner Birne.
das ist der Zirkus
des Gegners.
du liest das hier nicht
auf einem Blatt.
das Blatt liest
dich.
merkst du das?
wie eine Kobra. wie ein hungriger Adler, der um das Zimmer kreist.

das ist kein Gedicht. Gedichte sind stumpf,
sie schläfern dich ein.

diese Wörter aber
machen dich
verrückt.

du bist gesegnet, jemand hat dich
ins blendende
Licht gestoßen.

der Elefant träumt
jetzt
mit dir.
der Raum
krümmt sich und
lacht.

jetzt kannst du sterben.
jetzt kannst du sterben, wie
der Mensch zum Sterben bestimmt
ist:
groß,
siegreich,
die Musik im Kopf,
eins mit der Musik,
heulend,
brüllend,
tosend.

– Die Übertragung wurde von Libralop inspiriert

Das Zwölfte Album

Vor einiger Zeit begann ich damit, mich näher mit den letzten Jahren der Beatles und den ersten Jahren der Ex-Beatles nach Auflösung der Band zu beschäftigen. Bald stellte ich fest, dass dieses Thema unerschöpflich ist, wahrscheinlich, weil es eine brauchbare Metapher für das Leben darstellt. Bis heute machen sich beispielsweise eine Menge Leute ernsthafte Gedanken über die Frage, wie im Jahre 1971 das nächste Beatles-Album ausgesehen hätte. Etwa an dieser Stelle stieß ich auf The Twelfth Album von Stephen Baxter: Es geht um zwei Männer Mitte Vierzig, die auf der Trauerfeier ihres Freundes auf dessen Schiff das zwölfte Beatles-Album finden. Ein Album, das es eigentlich nicht gibt, in unserer Welt. Da kommt einiges zusammen. Weil ich keine Übersetzung finden konnte, habe ich eine eigene gemacht, nur für den Hausgebrauch.

Lightoller can be an anorak sometimes. Beim Übersetzen hatte ich ein paar Schwierigkeiten mit dem Wort anorak. Unser Protagonist ist doch wohl keine Jacke? Das Urban Dictionary half schließlich weiter: Der Ausdruck ist Slang für einen Menschen, der sich obsessiv für ein Thema interessiert, das so viel Aufmerksamkeit eigentlich nicht zu rechtfertigen scheint. Womöglich vergessen solche Leute auch manchmal vor Begeisterung, ihre Jacke auszuziehen, wenn sie zuhause sind – das könnte die Etymologie sein.

Mit der Zeit sind mir Lightoller, Sick Note und der namenlose Ich-Erzähler ans Herz gewachsen. Vielleicht macht es auch mehr Spaß, die Erzählung zu übersetzen, als sie zu lesen. Es kann durchaus sein, dass etwas anorak dem Lesevergnügen nicht schadet. Ich war jedenfalls entzückt, als ich endlich bemerkte, dass der Autor hier mehrere Alternativgeschichten ineinander versteckt hatte, wie in einer Matrjoschka. Mal ganz abgesehen von den wunderbaren Songs auf diesem Album, die es so eigentlich nicht gibt, in unserer Welt.

Nachtrag

Aus der Übersetzung habe ich ein kleines Büchlein gemacht. Wer es geschenkt haben möchte, kann mir gern schreiben, ich schicke es euch zu.

Stumm aus freiem Willen Der Fischer Anders Ålander aus Norfjärden, Gnarp, 55 Jahre alt, war bis vor etwa zehn Jahren ein gewöhnlicher Mensch, redsam und bei gesundem Verstand. Dann begann er in sich gekehrt und grüblerisch zu werden, still und wortkarg. Nach dem Grund gefragt erklärte er, dass es Sünde sei, mehr als ja und nein zu sagen. Und dabei blieb es. Seitdem sind zehn lange Jahre vergangen; Frau, Kind und zwei Brüder haben währenddessen jeden Tag mit ihm zusammengelebt, ohne von ihm mehr zu hören als ein gemurmeltes Ja oder Nein. Und trotzdem ist er beim Fischen dabei, rudert mit den anderen auf den See, knotet im Winter mit großem Geschick Schlingen und Netze. Stets und ständig steht er aber den halben Tag am Fenster und schaut hinaus, vor sich hin murmelnd.

– aus: Jämtlandsposten 1886, via Kungörelser