Schlagwort: Schweden

Nach Malmö

Gute Nachrichten für die Freunde der Olsenbande: Das gelbe Stellwerk aus Olsenbanden på Sporet wurde vor dem Abbruch gerettet und hat einen neuen Platz im Eisenbahnmuseum in Gedser gefunden. In Gedser gibt es keine Eisenbahn mehr, aber Eisenbahnfreunde. Es gibt Grenzkontrollen bei der Einreise (auch nach Schweden), aber die Grenzbeamten interessieren sich glücklicherweise nicht besonders für deutsche Staatsangehörige und den fehlenden Ausweis unseres Mitfahrers. Auf den Pylonen der Brücke nach Farø stehen zwei beleuchtete Weihnachtsbäume. Überhaupt lässt sich aus skandinavischen Fahnenstangen in den Vorgärten viel Weihnachtsdekoration bauen.

Der kürzeste Tag des Jahres ist grau und neblig. Von der Øresundsbron aus ist Malmö nicht zu sehen und von Malmö aus nicht die Brücke. Später ein Stück blauer Himmel genau über uns, aber die Sonne steht dafür im Dezember schon viel zu tief. Die Fackeln auf dem kleinen Weihnachtsmarkt auf Gustavs Adolfs torg sind nicht mehr da und (wahrscheinlich miljösmart durch LED-beleuchtete Wildtiere ersetzt worden. Wir gehen in den besten Plattenladen der Welt (soweit ich die Welt kenne) und in den Zeitschriftenladen neben dem Theater und danach für heißen Tee im Bauch in ein nerdiges Café am Davidstorg, von dem ich mal gelesen hatte, dass dort das Szeneviertel war. Stammgäste dürfe dort ich eigenen Kaffeetassen mitbringen und neben die Kasse hängen. Zum Schluss gehen wir in den ICA am Westhafen, der seinen alten Eingang verlegt hat, was definitiv kein Gewinn für diese Stadt ist.

Wir kommen pünktlich wieder in Gedser an, um 21 Uhr geht die Fähre, um 23 Uhr sind wir in Rostock und um 24 Uhr im Bett: so der Plan. Aber Scandlines hat es sich in den Kopf gesetzt, ihre beiden Schiffe miljösmart durch Neubauten zu ersetzen und das neue Schiff hat some technical issues und zwei Stunden Verspätung und kommt dann gar nicht und das nächste Schiff fährt auch erst eine Stunde verspätet um dreiviertel eins. Wir stehen vier Stunden im Auto im europäischen Niemandsland, was früher Transitbereich war und vielleicht bald wieder sein wird. Es ist kalt, windig, dunkel und es regnet. Das Schiff ist dann voller Wanderarbeiter aus Osteuropa. Driving home for christmas.

Auf der Autobahn läuft Element of Crime und E. singt mit und ich auch ein bisschen, um nicht einzuschlafen.

Was nicht so schön war vergessen und sich merken, was schön war.

Sveg

Wenn du stundenlang durch den Wald fährst, kommt dir jede Siedlung, die mehr als eine Tankstelle hat, wie eine Großstadt vor. So in etwa geht es mir mit Sveg, das am berühmten Inlandsväg 45 durch Schweden liegt.

Sveg hat zweieinhalbtausend Einwohner, drei Tankstellen und wahrscheinlich gibt es im Umkreis von hundert Kilometern trotzdem keine Ortschaft, die größer wäre. Die Stadt liegt an einer Weggabelung – in Richtung Westen geht es ins Gebirge und nach Norwegen, in Richtung Süden kommt man zurück nach Dalarna und an den Siljansee, in Richtung Osten fährt man nach Hudiksvall an die Ostsee und in Richtung Norden geht es nach Norden.

Es gibt also gute Gründe, in Sveg anzuhalten. Die Stadt liegt wunderschön an einem Flusstal, ein paar kleine Straßen mit Holzhäusern, Restaurants, Läden und einem Hotel: wie eine Westernstadt. Deadwood könnte hier spielen oder David Lynchs Twin Peaks. Im Zentrum haben die Leute einen riesigen Bären aus Holz aufgestellt, der nicht zu übersehen ist. Am Stadtrand gibt es eine schmale Eisenbahnbrücke, auf der auch Autos fahren dürfen. Der Zug kommt nur im Sommer und auch nur zweimal am Tag.

Der beste Grund um in Sveg anzuhalten, ist aber das Volkshaus gleich neben dem ICA-Supermarkt am Ortseingang. Nicht wegen der Gaststätte darin, die ziemlich verdächtig aussieht und auch nicht wegen des Ausverkaufs für Textilien, der nun schon mehrere Jahre lang andauert. Wir halten dort immer wegen der wunderbaren Holzreliefs von Thord Vaktnäs, die etwas lieblos im Hausflur an den Wänden hängen. Die Bilder sind ergreifend. Falls ihr mal durch Sveg kommt: Macht eine Pause und seht sie euch an. Den Bären natürlich auch.

Ein Gespräch in Söderhamn

Auf der Rückfahrt von unserem Sommerurlaub – ein paar hundert Kilometer schon hinter uns, ein paar hundert Kilometer noch vor uns – machen wir Pause im E-Center bei Söderhamn, einem Einkaufszentrum an der E4. Wir setzen uns an einen Holztisch vor dem Eingang und schaufeln unsere Boxen aus der Coop-Salatbar leer. Eine ältere Frau fragt, ob noch etwas frei sei und setzt sich zu uns. Sie schreibt ein paar Ansichtskarten, dann fragt sie uns, ob wir schon in der Stadt gewesen seien. Wir schütteln die Köpfe und sie fängt an zu erzählen, von der Perle Hälsinglands, dem Hafen, den Schären, der Altstadt, den Wanderwegen. Wir müssten unbedingt bleiben, wenigstens eine Stunde. Ich frage sie, warum auf dem Supermarktparkplatz hinter uns ein großes Flugzeugmodell steht und die Frau erzählt uns die ganze Stadtgeschichte: der große Brand 1676, der russische Überfall 1721, das Sägewerk stillgelegt, die Papierfabriken stillgelegt, Ericsson stillgelegt, der große Militärflugplatz stillgelegt. Deswegen das Denkmal. Das sei der Nachteil an der E4, alle würden nur noch an Söderhamn vorbeifahren. Aber die Stadt sei schön und das Wetter sei gut für Touristen – bei diesem schlechten Sommer kämen alle in die Stadt.

Die Frau steht auf und bittet uns, auf ihre Tasche aufzupassen. Sie geht zum Briefkasten am Eingang des Einkaufszentrums und wirft ihre Ansichtskarten hinein. Dann geht sie in das große Foyer und kommt mit ein paar Broschüren über Söderhamn zurück. Die Frau entschuldigt sich fast ein bisschen, sie sei in den sechziger Jahren aus dem Dorf hinunter nach Söderhamn gezogen und habe hier als Lehrerin gearbeitet und jetzt zeige sie eben den Gästen ihre Stadt. Sie habe ihr Deutsch fast vergessen, aber ein Wort habe sie behalten – anstupsen. So sei sie, sie wolle die Leute … anstupsen.

Wir müssen auf jeden Fall nochmal nach Söderhamn fahren.