Klagefall

Schlagwort: Politik

Demokratie funktioniert. Noch nie gab es bei den Kommunalwahlen hier so viele Listen und Kandidaten wie in diesem Jahr. Im Wahllokal standen sogar Stühle, auf denen man nach der Registrierung warten konnte, bis eine Wahlkabine frei wurde. Es war ein bisschen wie beim Arzt, nur dass man nicht aufgerufen wurde und es keine Zeitschriften gab. Der Mann in der Kabine neben mir hat offenbar alle vier Stimmzettel komplett durchgelesen, bevor er sich entscheiden konnte, das hat bestimmt zehn Minuten gedauert. Bei mir ging es schneller. Ich habe nur Leute gewählt, die ich persönlich kenne. Einfacher war es nur, als ich noch in einer Partei war, damit wird einem die Entscheidung abgenommen, das ist sehr entlastend. Wenn du nie weißt, was du wählen sollst: Das ist meine Empfehlung.

Ausgerechnet Anklam wäre mal eine politikwissenschaftliche Untersuchung wert. Eine kleine Nachbetrachtung zu den Wahlen vor zwei Wochen.

Martin Lindner stellte gestern auf Constantin Seibts Erdogan. Trump. Brexit. Eine hauchdünne Mehrheit genügt und ein Land kippt die Frage:

Und nach welchem seltsamen soziologischen Naturgesetz ergeben sich immer diese 51:49-Polarisierungen (oder auch noch 55:45)?

Das finde ich interessant. Demokraten vs. Republikaner, Tories vs. Labour, Hofer vs. van der Bellen: Die Liste ließe sich verlängern. Spontane These: Jede Seite verändert die eigene politische Wunschvorstellung (im Sinne der Maximalforderung oder reinen Lehre) nur genau soweit in Richtung einer Kompromisslinie, bis sie gerade so mehrheitsfähig erscheint. Das kann politische Aussagen und Bündnisse von Akteuren gleichermaßen beinhalten. Eine sichere strukturelle Mehrheit ist dagegen schwer zu erzielen, weil die andere Seite genauso handelt und soweit nötig in das eigene Lager vordringen will. Das führt tendenziell zu engen Ergebnissen.

Setzt immer voraus, dass es sich um eine Entweder-Oder-Situation handelt: Stichwahl, Volksabstimmung, Mehrheitswahlrecht. Womit auch ein wesentliches Argument gegen direkte Demokratie genannt ist – die wenigsten politischen Probleme lassen sich gut über ja/nein lösen.

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