Schlagwort: Musik

Etwas zu Schallplatten

Glücklicherweise habe ich diese Probleme nicht. Ich höre viel Musik, aber ich bin kein Sammler. Es muss nicht vollständig sein. Irgendwann habe ich aufgehört, mir die neuen Sachen von The Cure zu kaufen, David Bowie ist extrem lückenhaft, Leonard Cohen auch, es kann gut sein, dass ich die frühen Kent-Platten nicht habe und mit Bob Dylan habe ich sicherheitshalber gar nicht erst angefangen. Ganz zu schweigen von Jazz. Ich habe ein paar Dinge, aber die Diskographie von John Coltrane und Miles Davis ist ohnehin nicht mehr zu schaffen. Das kann man in einem Leben noch nicht mal alles anhören.

Ich kaufe noch immer CDs. Kein iPod, kein Streaming, keine Platten, keine Kassetten. Schallplatten waren DDR, als der Westen kam, ging es gleich mit den CDs los. Die guten Platten hat sich mein großer Bruder mitgenommen und der Rest steht in einer Kiste auf dem Dachboden.

Eigentlich könnte das alles so bleiben, wie es ist, aber inzwischen habe ich ein bisschen Sorge, dass diese Technik eines Tages einfach abgeschaltet wird, so wie sie es jetzt mit der Mittelwelle machen. Dass der CD-Player mit diesem Laserstrahl mal kaputtgeht und es im Laden keinen neuen mehr zu kaufen gibt oder dass die Musik verschwindet, die sie irgendwie auf diese Scheiben raufgedampft haben.

Aber Schallplatten (oder Vinyl, wie man jetzt sagt) sind nerdiges Zeug. Man braucht eine Anlage, einen Plattenspieler, einen Verstärker, Boxen, diese antistatischen Tücher, man muss sich um den Saphir kümmern, den Riemen, alles eine Wissenschaft. Die Platte vorsichtig aus der Hülle holen, auf diesen Stöpsel in der Mitte legen, den Motor in Gang setzen, die Nadel langsam auf die Platte absenken, den Deckel schließen und nach 20 Minuten die Platte umdrehen, wenn bis dahin alles gutgegangen ist. Platten verkratzen, sind groß und schwer zu transportieren. Das Cover knickt an den Ecken leicht ein. Jeder, der mal diese Supertramp-LP von Supraphon in einem Rucksack von Prag nach Hause bringen musste, weiß das.

Andererseits, Coolness:

Die Eingangsszene der zweiten Staffel von »Lost«, in der das erste Mal Desmond Hume und die alte Schwan-Station der Dharma-Initiative auftauchen.

Der letzte Teil der ersten Staffel von »Bosch«, als Hieronymus Bosch seiner Tochter Madeline »Patricia« von Art Pepper auflegt:

– How’d you like the tune?
– It was good. I don’t really know anything about jazz, but I liked it.
– I’ll get you some CDs.
– I don’t have a CD player. I download all my music.
– Right. I’ll get you some discs and a CD player. Better yet, I’ll get you some vinyl and a turntable. Best way to listen.

Ed Smith zieht eine schöne Parallele von Vinyl vs. Streaming zu Test Cricket vs. Twenty20. Aber Test Cricket ist wirklich ein anderes Spiel als das süße Gift Twenty20 (nicht nur ein Sport, sondern ein Weg, den ganzen Tag zu verbringen, wie Smith richtig schreibt, und eigentlich nicht nur einen Tag, sondern eine Woche). Wird aus der Musik auf der B-Seite einer Single etwas anderes, wenn sie bei Spotify gestreamt wird?

Hier wäre jedenfalls ein Plattenladen.

Einen Freund wiedersehen und mit ihm ein Gespräch über Musik führen

Skalitzer Straße, Privatclub. Leif Vollebekk ist nach Berlin geflogen, hat sechs, sieben Stücke gespielt und entschuldigt sich gerade ein bisschen für seine Zugabe, einen Ray-Charles-Song. Zugaben wären in Kanada nicht so üblich und überhaupt sei es ein wenig unhöflich, den nächsten Künstler zu lange warten zu lassen.

– Ich meine, ich bin jetzt zweihundert Kilometer gefahren, um Leif Vollebekk zu sehen und dann ist er nur die Vorband.
– Das ist okay. Ich bin mal nach Hamburg zu Thomas Dybdahl gefahren, der war auch nur Vorprogramm.
– Für wen denn?
– Das weiß ich gar nicht mehr.

Musik

… als wir an diesem Juniabend aus unserem Aufgang in der Kräpeliner Wende in das Studentenwohnheim im Ernst-Thälmann-Ring hinübergingen, quer über den Parkplatz, als wir an den Sprelacart-Tischen im Klubraum saßen und Pink Floyds Wish You Were Here hörten, als wir jede Note von David Gilmours Gitarre mitsingen konnten, als der Student die Songtexte mit Schreibmaschine abgeschrieben und die Originalplatte mit dem Originalcover und den Originalfotos auf der Innenhülle abfotografiert hatte und als er das jetzt alles als Dia auf das Laken an der Wand projizierte und es eine so ungeheure Bedeutung für uns hatte …