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Malmö

In Schweden benutzt zwar praktisch niemand mehr Bargeld, aber sie haben im Sommer trotzdem alle vernickelten Kronen aus dem Verkehr gezogen und durch winzige neue Münzen ersetzt. Mit Rücksicht auf die Allergiker. Die Schweden lieben diese Begründung. Ich erleichtere mein schwedisches Portemonnaie um 57 wertlos gewordene Kronen. Ich könnte reich sein.

Das Schiff ist fast leer. Der Dezembersturm hat sich rechtzeitig gelegt. See anfangs 3 Meter, aber selbst davon ist nicht mehr zu spüren.

Das Hotel ist aus dem 19. Jahrhundert. In der Mitte des Treppenhauses liegt ein vergitterter Fahrstuhlschacht, nur der Liftboy fehlt. Die alten Zimmer wurden mit Pappwänden parzelliert. Ich schlafe mit Ohrstöpseln, trotzdem wache ich um halb sechs vom Schnarchen meines Zimmernachbarn auf. Um halb sieben fängt er zu telefonieren an, er hat auf Lautsprecher gestellt. Als ich an die Wand klopfe, wundert er sich, warum ich noch schlafen wolle, es gäbe doch gleich Frühstück. Mein Zimmernachbar spielt auch beim Schachturnier mit. Das ganze Hotel ist voller Schachspieler, wir haben einen Preisnachlass bekommen.

In der vorletzten Runde spiele ich gegen Nejib aus Lund. Er ist 72 Jahre und hat neben dem Brett immer ein abgegriffenes französisches Taschenbuch zu liegen. Wir spielen eine lange umkämpfte Partie, die schließlich mit einem Unentschieden endet. Nejib bedankt sich für ihren Inhaltsreichtum, er habe so gut gespielt, wie er könne. Ich bedanke mich auch. Es kommt sehr selten vor, dass beide Spieler glücklich sind.

In der letzten Runde ist Feueralarm. Knapp dreihundert Menschen verlassen den großen fensterlosen Raum durch eine schmale Glastür. Zum Glück brennt es nicht. Ich frage Nejib, was los sei und er sagt, es gäbe in diesem Land viele Regeln und es sei sehr wichtig, dass wir sie einhielten. Nach zehn Minuten kommt die Feuerwehr und wir dürfen zurück ins Haus.

Der kleine Weihnachtsmarkt ist mit Betonsperren gesichert. In den Bäumen hängen Geschenke.

#050

Bei einem Schachturnier in Malmö

Nach Malmö

Gute Nachrichten für die Freunde der Olsenbande: Das gelbe Stellwerk aus Olsenbanden på Sporet wurde vor dem Abbruch gerettet und hat einen neuen Platz im Eisenbahnmuseum in Gedser gefunden. In Gedser gibt es keine Eisenbahn mehr, aber Eisenbahnfreunde. Es gibt Grenzkontrollen bei der Einreise (auch nach Schweden), aber die Grenzbeamten interessieren sich glücklicherweise nicht besonders für deutsche Staatsangehörige und den fehlenden Ausweis unseres Mitfahrers. Auf den Pylonen der Brücke nach Farø stehen zwei beleuchtete Weihnachtsbäume. Überhaupt lässt sich aus skandinavischen Fahnenstangen in den Vorgärten viel Weihnachtsdekoration bauen.

Der kürzeste Tag des Jahres ist grau und neblig. Von der Øresundsbron aus ist Malmö nicht zu sehen und von Malmö aus nicht die Brücke. Später ein Stück blauer Himmel genau über uns, aber die Sonne steht dafür im Dezember schon viel zu tief. Die Fackeln auf dem kleinen Weihnachtsmarkt auf Gustavs Adolfs torg sind nicht mehr da und (wahrscheinlich miljösmart durch LED-beleuchtete Wildtiere ersetzt worden. Wir gehen in den besten Plattenladen der Welt (soweit ich die Welt kenne) und in den Zeitschriftenladen neben dem Theater und danach für heißen Tee im Bauch in ein nerdiges Café am Davidstorg, von dem ich mal gelesen hatte, dass dort das Szeneviertel war. Stammgäste dürfe dort ich eigenen Kaffeetassen mitbringen und neben die Kasse hängen. Zum Schluss gehen wir in den ICA am Westhafen, der seinen alten Eingang verlegt hat, was definitiv kein Gewinn für diese Stadt ist.

Wir kommen pünktlich wieder in Gedser an, um 21 Uhr geht die Fähre, um 23 Uhr sind wir in Rostock und um 24 Uhr im Bett: so der Plan. Aber Scandlines hat es sich in den Kopf gesetzt, ihre beiden Schiffe miljösmart durch Neubauten zu ersetzen und das neue Schiff hat some technical issues und zwei Stunden Verspätung und kommt dann gar nicht und das nächste Schiff fährt auch erst eine Stunde verspätet um dreiviertel eins. Wir stehen vier Stunden im Auto im europäischen Niemandsland, was früher Transitbereich war und vielleicht bald wieder sein wird. Es ist kalt, windig, dunkel und es regnet. Das Schiff ist dann voller Wanderarbeiter aus Osteuropa. Driving home for christmas.

Auf der Autobahn läuft Element of Crime und E. singt mit und ich auch ein bisschen, um nicht einzuschlafen.

Was nicht so schön war vergessen und sich merken, was schön war.