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Fritz

Wenn ich an Fritz denke, muss ich auch an Fußball denken. An den Sportplatz in Leuben, über den ich so oft gegangen bin. Die Heimat von Fortuna. Die tiefste Stelle des Dorfes, unten am Ketzerbach, an der alten Eisenbahnbrücke, dahinter begann der Park. An die Spiele, die wir zusammen besucht haben: VfB Leipzig gegen Bayern München (mit Franz Beckenbauer auf der Trainerbank) im alten Zentralstadion. Leipzig hatte Darko Pančev von Inter Mailand geholt, der Tore gegen den Abstieg schießen sollte und man stelle sich diesen Namen in einem breiten sächsischen Idiom ausgesprochen vor. So habe ich ihn für immer im Ohr, Fritz war sehr skeptisch und zu Recht. Dann ein trüber Zweitligakick gegen Bochum (mit Dariusz Wosz) im Bruno-Plache-Stadion, danach der Wechsel zu Chemie: Sachsen Leipzig gegen Rot-Weiß-Erfurt im tobenden Alfred-Kunze-Sportpark. Später RB Leipzig in der Regionalliga gegen irgendeine Mannschaft, die ich vergessen habe, im neuen Zentralstadion. Zweimal spielte Greifswald gegen Leipzig Relegation und beide Male konnte ich nicht hingehen. Es gibt ein schönes Foto von Fritz, auf dem er mitten im Leipziger Auswärtsblock im Greifswalder Volksstadion steht. Ich mochte es, dass er seine Liebe zum Fußball auf so viele Mannschaften verteilen konnte.

Als Leipzig im Frühjahr in die Bundesliga aufgestiegen war, rief er mich an. Zur Feier des Tages war er in ein Café gegangen und hatte ein Bier getrunken. Er hatte lange auf diesen Moment gewartet. Ich nahm mir vor, in der neuen Saison mit ihm mal wieder ins Stadion zu gehen.

Leipzig

Immer, wenn ich auf die Grammatik im Bücherregal sehe, denke ich, dass es gut war, in diesem dunklen, verwinkelten Vorlesungsgebäude am Augustusplatz so vehement durch den Eignungstest für das Germanistikstudium zu fallen (»Bestimmen Sie alle Wortarten im folgenden Text«), der Versuch, im Nachgespräch (Uni-Hochhaus, 17. Stockwerk) noch etwas zu retten, war dann auch nur noch halbherzig (»Es ist ja schön, dass Sie Karl Kraus gelesen haben, aber mittels Sprache auf die Gesellschaft Einfluss nehmen, das können Sie auch anderswo«), mit Tränen in den Augen lief ich die Goethestraße herunter bis zum Zeitungsladen im Hauptbahnhof und ließ dort die »Weimarer Beiträge« stehen.

Eine Familiengeschichte

Die erste Erinnerung an Alexander Neroslow ist das Bild von den Fischern, das im Schlafzimmer von Oma Wieck hing.

Tante Valeska wohnte in der Liviastraße in Leipzig, direkt am Rosental. Eine Etage über ihr wohnte der Herr Hohl, der Schlagzeuger von Renft, was ich damals sehr aufregend fand, genauso wie die Nietzschebücher in Valeskas Wohnzimmer. Die Wohnung hatte hohe Decken, war riesig und im Winter kaum zu heizen. An den Wänden waren die Bilder von ihrem Mann Sascha. Valeska liebte Blumen und er hatte ihr viele gemalt.

Valeska und Alexander hatten sich in Wieck auf dem Darß kennengelernt. Deshalb kam das Bild von den Fischern zu meiner Oma.

Es ist ein komisches Gefühl, in einer Ausstellung ein Bild zu sehen, das sonst in meiner Wohnung hängt. Es sind schöne Bilder: Sachsen, der Darß, die Kurische Nehrung, Porträts. Und Blumen.

Alexander Neroslow, Ein Träumer im Leben wie im Schaffen, Vineta-Museum Barth, noch bis zum 26. Mai 2013