Schlagwort: Gedser

Auf Falster

Am zweiten Tag schiebt der Wind den Nebel, der noch über dem Meer liegt, nach Marielyst hinein. Der kurze Sommer ist wieder vorbei. Von jetzt an wird es jeden Tag kälter.

15 Kilometer Gegenwind am Guldborgsund entlang, dann erreichen wir Nykøbing. Es ist Karfreitag, wir gehen in die Klosterkirche, um uns aufzuwärmen. Das Kirchenschiff ist flach und geheizt. Neben der Handdesinfektion hängt ein dreisprachiges Hinweisschild, auf dem dazu geraten wird, wegen der Brandgefahr einige Zeit vergehen zu lassen, bevor eine Gebetskerze entzündet wird. Wir sitzen in der Kirchenbank. Sanftes Erschrecken, als plötzlich das Licht über dem Altar verlischt: Der Bewegungsmelder in der Kirche ist nicht auf stille Einkehr eingestellt. Die Stadt ist fast ausgestorben, nur die arabischen Gemüsehändler haben geöffnet. Am Hafen finden wir ein Restaurant und sehen auf das Wasser vor dem Fenster hinaus. Rückweg mit Rückenwind.

Am Sonnabend fahren wir nach Gedser. Der Wind hat auf Süd gedreht. Er kommt direkt vom Meer und geht durch alles hindurch, was wir angezogen haben. Der Wartesaal im Fährterminal ist warm. Die Eisenbahnausstellung in der Remise am Hafen hat geöffnet. In einem Schuppen stehen alte Dampfloks, riesige Maschinen aus Stahl, mit stumpfen, schwarzen Körpern wie Walfische, die hier gestrandet sind.

Auf der Rückfahrt am Ostersonntag ist das gesamte untere Deck der Fähre leer, so wenige Autos sind unterwegs. Nur die Fahrradfahrer warten im Bauch des Schiffes darauf, dass sich die Heckklappe im Hafen öffnet. Auf der anderen Seite der Ostsee scheint die Sonne.

Weil ich vor der Reise vergeblich „Welchen Weg am besten mit dem Fahrrad von Gedser nach Marielyst?” gegoogelt hatte: Wir haben alle ausprobiert. Fahrt am besten den Fahrradweg neben der E55 bis Gedesby und von dort ostwärts bis zum Meer hinter Gedesby Strand. Auf dem Deich kann man sehr gut weiter nach Norden fahren.

Nach Malmö

Gute Nachrichten für die Freunde der Olsenbande: Das gelbe Stellwerk aus Olsenbanden på Sporet wurde vor dem Abbruch gerettet und hat einen neuen Platz im Eisenbahnmuseum in Gedser gefunden. In Gedser gibt es keine Eisenbahn mehr, aber Eisenbahnfreunde. Es gibt Grenzkontrollen bei der Einreise (auch nach Schweden), aber die Grenzbeamten interessieren sich glücklicherweise nicht besonders für deutsche Staatsangehörige und den fehlenden Ausweis unseres Mitfahrers. Auf den Pylonen der Brücke nach Farø stehen zwei beleuchtete Weihnachtsbäume. Überhaupt lässt sich aus skandinavischen Fahnenstangen in den Vorgärten viel Weihnachtsdekoration bauen.

Der kürzeste Tag des Jahres ist grau und neblig. Von der Øresundsbron aus ist Malmö nicht zu sehen und von Malmö aus nicht die Brücke. Später ein Stück blauer Himmel genau über uns, aber die Sonne steht dafür im Dezember schon viel zu tief. Die Fackeln auf dem kleinen Weihnachtsmarkt auf Gustavs Adolfs torg sind nicht mehr da und (wahrscheinlich miljösmart durch LED-beleuchtete Wildtiere ersetzt worden. Wir gehen in den besten Plattenladen der Welt (soweit ich die Welt kenne) und in den Zeitschriftenladen neben dem Theater und danach für heißen Tee im Bauch in ein nerdiges Café am Davidstorg, von dem ich mal gelesen hatte, dass dort das Szeneviertel war. Stammgäste dürfe dort ich eigenen Kaffeetassen mitbringen und neben die Kasse hängen. Zum Schluss gehen wir in den ICA am Westhafen, der seinen alten Eingang verlegt hat, was definitiv kein Gewinn für diese Stadt ist.

Wir kommen pünktlich wieder in Gedser an, um 21 Uhr geht die Fähre, um 23 Uhr sind wir in Rostock und um 24 Uhr im Bett: so der Plan. Aber Scandlines hat es sich in den Kopf gesetzt, ihre beiden Schiffe miljösmart durch Neubauten zu ersetzen und das neue Schiff hat some technical issues und zwei Stunden Verspätung und kommt dann gar nicht und das nächste Schiff fährt auch erst eine Stunde verspätet um dreiviertel eins. Wir stehen vier Stunden im Auto im europäischen Niemandsland, was früher Transitbereich war und vielleicht bald wieder sein wird. Es ist kalt, windig, dunkel und es regnet. Das Schiff ist dann voller Wanderarbeiter aus Osteuropa. Driving home for christmas.

Auf der Autobahn läuft Element of Crime und E. singt mit und ich auch ein bisschen, um nicht einzuschlafen.

Was nicht so schön war vergessen und sich merken, was schön war.

Gedser

S. hatte auf der Hinfahrt nach Lund den Cache an der Autobahnraststätte nicht gefunden, Dänemark war weiterhin nicht geloggt. Auf der Rückfahrt plante R. daher eine Stunde in Gedser ein. Die Dose an der Kirche war schnell gefunden (Magnetismus), den Cache am Geologischen Museum gaben wir nach 20 Minuten did not found (wahrscheinlich die leere Bohrung im Feldstein auf dem Hof), die Kiste am Søndre Blvd. war dann ganz leicht (Trampelpfad). Die Fähre fuhr auf dem Horizont so langsam in Richtung Hafen, dass wir kurz überlegten, noch einmal zum Museum zurückzukehren. Das machen wir aber beim nächsten Mal. Dann gehen wir auch ins Toldcaféen (wahrscheinlich hyggelig) oder in den Havnekroen (wahrscheinlich auch).

Ich war ein bisschen mit Dänemark versöhnt, als die Sonne vor meinen Füßen auf die Ostsee schien. Wer weiß, vielleicht ist sogar Nykøbing eine schöne Stadt. Das wäre eine Tagestour.

(Ich müsste auch mal die Geschichte von Paloma recherchieren. Neunziger Jahren, analog, alles verschollen.)