Schlagwort: Fußball

Der Mann am Nebentisch, der leise die ägyptische Nationalhymne mitsingt, unmerklich fast, nur die Lippen bewegend.

Wenn ich darüber nachdenke, was mich am Fußball faszinierte, war es nicht das Spiel selbst. Das Spiel ist vergleichsweise kurz, nicht besonders komplex und nur selten spannend oder schön. Faszinierend war, was neben dem Spiel passierte: die Erwartung, die Vorbereitung, die Fahrt zum Stadion, der Platz, die Stufen, die Tribüne, das Singen, die anderen Zuschauer, das Geschrei, die Erleichterung danach oder die Verzweiflung und die Fahrt zurück, die Nachbesprechung. Allmählich entstand die Erkenntnis, dass es auf Dauer nicht gesund für mich ist, meine Stimmung an das Abschneiden einer Fußballmannschaft zu binden, auf die mich Herkunft, Wohnort oder plötzliche Liebe geworfen hatten. Seitdem geht es besser. Es muss so etwas wie Freundschaft sein oder Sympathie oder Interesse, und nicht bedingungslose Treue.

– Kommentar zu Libralop Hulot

Südtribüne

Die Südtribüne liegt im Schatten. Die Sonne in unserem Rücken dringt nicht durch diese graue Betonschüssel, aber der Wind tut es. Die Südtribüne ist Ultra-Land, keine Polizei, keine Ordner, straffe Selbstverwaltung. Im Fanzine zehn Verhaltensregeln: Schalpflicht, 90 Minuten Durchsingen, keine Fotos, so etwas.

Wir stehen auf den Stufen, ganz vorn sitzen die Capos mit Megaphon und sagen, was als nächstes kommt: Faust in die Luft, einhaken, singen, Polonaise, hinsetzen, aufstehen, Wechselgesang, pfeifen. Hier regiert der FCH, Ihr seid Wessis, Da steht ein Arschloch im Tor, Scheiß Sankt Pauli, Ostseestadion. Es ist eine Mischung aus Party und Nationaler Volksarmee.

Die Ultras haben den Support übernommen. Es gibt keine Kutten mehr. Aufstehen, Aufstehen! und das ganze Stadion steht auf. Die anderen hören auf uns. Der Support funktioniert unabhängig vom Spiel. Wenn wir schon Dritte Liga sind, sind wir wenigstens laut.