Schlagwort: Färöer

Foroyar

Elmar Bambach hat aus 24 quadratischen Fotos von den Färöern ein kleines Buch gemacht. Leere Landschaften: Asphalt, Felsen, Gras, Kunstrasenplätze (die Färöer sind ein Fußball-Land), neblig, fahl, klamm, blass. Wie leer wären die Landschaften, wüsste man nicht um die Geräusche: die Dieselmotoren, das Gemurmel auf den Bänken, das Ploppen, wenn der Vollspann den Ball trifft, der Jubel, das Geschrei der Vögel.

Elmar Bambach: Føroyar. Bücher & Hefte Verlag

Im Juni, Verluste

Auf dem Hof ist eine Katze, hungrig und scheu. Sie sieht mich an, aber als ich einen Schritt in ihre Richtung mache, verschwindet sie sofort auf die Straße unter ein Auto. Ich erinnere mich an einen Aushang »Katze entlaufen!« auf meinem Heimweg und gehe zurück. Das Fell, das Alter, der Charakter, es könnte hinkommen. Und in sechs Wochen kann so ein Tier sicher abmagern. Ob die Katze »infolge eines Kampfes« einen abgeknickten Schwanz hat? Ich weiß es nicht und rufe an. »Der Dicke« sei schon nach drei Tagen wieder nach Hause gekommen. Trotzdem danke. Es ist eine andere Katze, die unter dem Auto sitzt.

Vom Leben in der Provinz. Meine Freunde ziehen nach und nach weg. Berlin, Hannover, Gütersloh, Schwerin. Ich bin die ganze Zeit nur hiergeblieben. Schwerin ist auch Provinz. Gütersloh bestimmt auch. Hannover auch. Aber liegt wenigstens in der Mitte und nicht so am Rand der Welt.

Der Mann von der Autowerkstatt hat in einem Renault-Forum herausgefunden, warum das Auto an warmen Tagen so schlecht anspringt. Ein Serienfehler beim Kangoo. Das Steuerungsteil, Scheiß Elektronik. Koste neu mehr als das ganze Auto. Es gebe eine Firma da unten in Bayern, die sich darauf spezialisiert habe und das löten könne. Er schickt das Teil ein und es dauert drei Wochen, wegen der Flut. Zwischenzeitlich beschäftige ich mich sicherheitshalber mit dem öffentlichen Personennahverkehr im westlichen Värmland. Als ich das Auto schließlich wieder abhole, guckt der Mann von der Autowerkstatt sehr ernst. Es fährt wieder, aber im nächsten Jahr werde es schwierig mit dem TÜV und dem rostigen Unterboden.

Hubschrauber, Mannschaftswagen, Straßensperren, die Bundeswehr rückt aus, um den Deich zu halten, sich gegen die Fluten zu stemmen. Frontberichterstattung. Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Sandsäcke.

Gespräch mit E. in seinem Garten. Er sei immer Nichtwähler gewesen, solange er politisch gearbeitet habe. Als er damit aufgehört habe, sei er zur Wahl gegangen, um wenigstens etwas zu machen, aus einer Art Pflichtgefühl heraus. Jetzt, da er wieder politisch aktiver sei, müsse er auch nicht mehr wählen gehen. Erneut mein vollkommenes Unvermögen, ein Parteisoldat zu sein.

Rhabarber ist das einzige einheimische Gemüse der Färöer. Anders als der kontinentale Rhabarber enthält er keine Oxalsäure.

Darf man einem Auto einen Namen geben?

Beim Schachspielen fotografiert werden, den Kopf in beiden Händen, der Haarausfall nimmt zu über die Jahre.

Für entlaufene Tiere gibt es noch gar keine Social-Media-Anwendung.

Im Frühling

Wir waren nach Wieck gelaufen und dann mit dem Schiff (einer uralten Hiddenseefähre, die auf dem Ryck ihr Gnadenbrot bekommt) zurückgefahren. Am Stadthafen stießen wir überraschend auf eine Maikundgebung. Sie hatten Tische und Bänke aufgestellt. Es gab Musik und einen Büchertisch mit DDR-Literatur. Der Grill war schon in Gang und die Leute saßen in der Sonne und aßen. Die Vorsitzende, die Landtagsabgeordnete, der arbeitslose kommunistische Physiker und viele Rentner. Es war fast schon andächtig ruhig und sah so aus, als ob die Arbeiterbewegung an ein Ende gekommen wäre.

Ein Traum wurde wahr, als die Clowns mich in die Zirkusmanege holten. Ich hatte mich extra in die letzte Reihe gesetzt, aber es waren nicht sehr viele Zuschauer in der Vorstellung. Sie wollten vier kräftige junge Männer und als sie das sagten, war mir klar, dass sie mich gleich herauswinken würden. Vier Leute, sie würden uns also ineinander verknoten und dann die Hocker unter dem Hintern wegziehen, diese Nummer, die es in jedem Zirkus gibt. Die Clowns waren freundlich, fast warmherzig. Die Manege roch angenehm nach trockenem Gras und den Tieren. Für einen Moment gehörten wir zusammen, in dieser kleinen Stadt, auf der Festwiese an der Umgehungsstraße, unter der roten Zeltplane mit den Sternen.

Als der alte Mann im Einwohnermeldeamt sagte, so ein Personalausweis wäre zehn Jahre gültig und es wäre der letzte, den er sich holen müsse.

Dinge zum ersten Mal tun: Eine Fahne tragen, eine isländische Soul-Band hören, in einer Partei sein, im Stadion eine Tapete halten, sich für eine deutsche Meisterschaft qualifizieren, sich Sorgen um die Entwicklung des Benzinpreises und der Wechselkurse machen.

Überflüssige Informationen: Auf den Färöer gibt es einen öffentlichen Nahverkehr mit Hubschraubern. In Tórshavn sind die Stadtbusse kostenlos. Die Norröna hat 2011 wieder Gewinn gemacht. Im Juni gibt es nur 18 Regentage.

Jena war so klein, dass der ICE auf beiden Seiten aus der Stadt herausragte.