Klagefall

Schlagwort: Bücher

Über Buchhandlungen

In Greifswald gibt es im Umkreis von vielleicht 200 Metern vier Buchhandlungen: Den Hugendubel am Markt, der früher Weiland hieß, in der Langen Straße die Rats- und Universitätsbuchhandlung, schräg gegenüber davon die Buchhandlung Scharfe und schließlich die Dombuchhandlung in der Domstraße, die vor allem christliche Literatur verkauft. Bis vor ein paar Jahren gab es noch ein Antiquariat, aber das hat das Ladengeschäft aufgegeben und verkauft nur noch im Internet.

Ich glaube nicht, dass sich alle vier halten werden. Heute wollte ich ein Sprachenbuch kaufen, ganz old school: gucken, was es gibt, durchblättern und das beste mitnehmen. Hugendubel hatte ein paar Sachen, aber keine Lernbücher und ich erinnerte mich, dass die Rats- und Universitätsbuchhandlung ein gutes Sortiment bei Sprachen hatte, sogar fremdsprachliche Belletristik. Ich war eine Weile nicht dort gewesen. Wenn ich stöbern will, gehe ich ich den Hugendubel, der am größten ist. Wenn ich weiß, was ich will, bestelle ich: bei Amazon, wenn ich faul bin oder bei Scharfe, wenn mich das schlechte Gewissen plagt. Die Buchhandlung Scharfe mag ich am meisten, aber sie haben nur wenig Bestand im Laden.

Also deshalb heute die Rats- und Universitätsbuchhandlung. Ich bekam einen ziemlichen Schreck. Die zweite Etage, in der früher die Fachbücher waren, ist geräumt. Im Erdgeschoss stehen noch die Hälfte der Regale und auch die sind nur zur Hälfte voll. Auf die oberen Regalbretter haben sie Deko-Artikel gestellt, Vasen und so etwas. Ein bisschen wie in einer sowjetischen Kaufhalle, in der alle zwanzig Zentimeter ein Gurkenglas stand, das Etikett nach vorn. Die Comic-Abteilung ist verschwunden, Science Fiction sowieso und überhaupt war es bedrückend leer. Immerhin, es gab noch ein paar Sprachbücher und ich habe dann etwas bestellt, was ich mir bei Amazon vorher schon halbwegs ausgesucht hatte und es könnte morgen schon da sein.

Buchhandlungen sind Orte und die funktionieren wie Kneipen: Wenn es leer ist, geht niemand rein und setzt sich an den Tisch. Das werden traurige Zeiten.

Über uns der Schaum von Hendrik Otremba hatte ich mir mal als Aboprämie ausgesucht, ich weiß nicht mehr, was sonst noch zur Wahl stand, aber ich bin mit meiner Entscheidung ganz zufrieden. Ein dystopisches Roadmovie, das mit der klassischen Eingangsszene eines Detektivromans beginnt: Heruntergekommener Ermittler soll für einen zwielichtigen Mandanten eine schöne Frau beschatten und flieht mit ihr, hier allerdings durch eine postapokalyptische Landschaft. Dystopien machen es dem Autor leicht, er muss nichts erklären – warum der Regen sauer ist, warum es Telefonzellen gibt, warum die Polizei noch arbeitet, Tankstellen aber selten, warum sich die Geografie verändert, alles bleibt offen. Wie die Handlung zustande kommt, woher die Verfolger zum Beispiel wissen, wo unser Pärchen gerade ist, würde ich aber doch gern erfahren haben. Und der Schluss ist eine kitschige Enttäuschung. Trotzdem, die Geschichte entfaltet einen Sog und ist in ihren besten Stellen angenehm poetisch.

Das ist meine liebste Buchreihe, unerreicht in Konzeption, Gestaltung, Inhalt. Zerfällt bald zu Staub.