Zoë Beck: Paradise City. Ich hatte zwei Rezensionen zu diesem Buch aus der Zeitung ausgeschnitten und erinnerte mich daran, als ich mich entscheiden musste, welche Bücher ich mit in den Urlaub nehme. Ausnahmsweise E-Books, da beleuchtbar und leicht zu transportieren. Überhaupt passen hier Format und Inhalt bestmöglich zusammen, Zoë Beck dreht unsere Geschichte nur ein paar Jahrzehnte vorwärts: Das Meer hat sich die halbe Küste zurückgeholt, eine Epidemie hat große Teile der Bevölkerung ausgerottet, der Großraum Frankfurt am Main ist Bundeshauptstadt geworden und der Nationalstaat in Gestalt einer sanften Gesundheitsdiktatur zurückgekehrt (den Stand des Gesundheitswesens würde ich sofort haben wollen, perfekt). Bücher und Zeitungen aus Papier sind in dieser Gesellschaft nicht mehr denkbar, Zeitungen ohnehin nicht, weil die Medien fast vollständig verstaatlicht worden sind. Die Protagonistin arbeitet für eine verbliebene private Nachrichtenagentur, von der man aber auch nicht genau weiß, ob die Regierung sich diese nicht als Ventil hält. Zoë Beck webt in alles noch einen Kriminalfall und eine Lebensgeschichte hinein, sie erzählt so selbstverständlich, dass mir erst hinterher auffiel, dass praktisch alle Hauptfiguren im Buch Frauen sind. Sehr schön. Und jetzt weiß ich nicht, wohinein ich die beiden Rezensionen legen soll. Das ist der Nachteil von E-Books.
Schlagwort: Bücher
Als er einmal ohne anzuklopfen nachbarschaftlich in ihr Zimmer gekommen war (damals wohnten sie und ihr Mann im ersten Stock des gemeinsamen Hauses, zusammen mit allen Stationsangestellten, erst später zogen sie in ein eigenes Ziegelhaus in der Nähe) und sie in einer winzigen flachen Schüssel stehen sah, in einer Hand einen Krug, mit der anderen hielt sie ihre Haare hoch, und die hereinscheinende Sonne sie durchleuchtete und er ganz deutlich ihr vogelgleich flatterndes Herz erkannte, die dunstig-massive Leber, die durchsichtige silberne Glocke der Harnblase, die hellblauen Knochen, die im rosa Gelee ihres Leibes schwammen — „Wanja?!“ –, da hatte er begriffen, dass er fliehen musste. Und war geflohen.
— Juri Nuida: Nulluhrzug