Allzu oft habe ich Herrn Hattwig allerdings nicht zu Gesicht bekommen, nur wenn ich in besagter Sitzung meine Titelfolge für die geplante Sendung „Tanzmusik — zwischen Nacht und Morgen“ regelrecht zelebrieren musste. In seinem geräumigen Büro hatte der Musik-Chefredakteur ein Klavier stehen, an dem er manchmal die gesamte Konferenz über saß und einige der aufgeführten Titel kurz anspielte.

Der Leitspruch von Martin Hattwig war: „Die zusammengestellten Programme müssen wie eine Komposition klingen!“ Und dafür gab es für uns beim „Komponieren“ einige Spielregeln: das Verhältnis zwischen melodischen und rhythmischen Titeln, auch, wie sie vom Techniker „ineinander“ zu spielen waren, war zu beachten, daneben der Wechsel von instrumentalen und gesungenen Stücken — nachts sollte ohnehin nicht so viel gesungen werden –, sogar die Tonarten sollten beachtet werden.

Wolfgang Martin schreibt in Wie die Westmusik ins Ostradio kam vor allem über seine spätere Zeit bei DT64, aber das ist die Stelle, die mich am meisten berührt hat. Wieviele Menschen mit großer Ernsthaftigkeit damit beschäftigt waren, das Nachtprogramm für einen Sender zusammenzustellen, mit vier Wochen Vorlauf, es gab sogar einen Redaktionsschluss. Radiomenschen, großartig, ich habe Sehnsucht nach dieser Zeit. Heute macht das ein Algorithmus.

Ellen Strömberg: Gedichte

1

Deine Familie war die erste mit
Internet, und alle hatten immer echte Markensachen
ich hatte nichts weiter als die blauen Flecken
die auftauchten, wenn ich versuchte, um mich zu schlagen
Als ich das einzige Mal einen Markenpullover bekam,
einen Fija-Pullover mit einem Logo, das niemand übersehen konnte
und du den noch nicht hattest
hast du dir auf einer Urlaubsinsel ein Plagiat gekauft
du hast mich jedenfalls überholt

2

Ich lese mehr als du, du liest nur
das Notwendigste, die Zutatenliste
wenn du Kalorien zählst und dir ein paar Allergien leisten kannst
Ich habe gelernt, meine Wünsche den Preisen anzupassen
Ich lese mehr als du und weiß deshalb mehr, ich weiß, wie es geht
trotzdem bist du diejenige, die gefragt wird

3

Das Ding mit Freundschaft, ich weiß tatsächlich nicht
Vielleicht, wenn die Menstruation synchronisiert ist
und man um die Wette blutet
Ich blute jede Monat das Toilettenpapier durch
und kaufe so selten wie möglich Binden
Deine Tampons kullern in deinen Handtaschen herum
Das Ding mit Freundschaft, ich weiß nicht
wenn man sich weniger hasst als andere

Übersetzt nach Ellen Strömberg: Dikter (Provins 4/2016).