Wir saßen auf dem Dänholm fest, weggesperrt in diese Kaserne, Volksmarine, Grundausbildung, Marschieren lernen, Schießen lernen und diese Sachen und noch 17 Monate und drei Wochen vor uns. Das, was noch keinen Namen hatte und was sie jetzt Revolution nennen, war seit neun Tagen zu Ende. Ich war der Einzige aus meiner Stube, der jeden Abend um halb acht in den Fernsehraum schlurfte. Von der Aktuellen Kamera durften sie einen nicht wegjagen zum Klarschiffmachen oder sonstwohin, das war Politischer Unterricht. Als ich an diesem Abend zurück auf die Stube kam, fragte einer, ob es was Neues gäbe und ich sagte, die Mauer sei auf und sie sagten, ich solle mich hinsetzen, sie hätten schon gemischt.
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Ales Stenar
Willst du eine wirklich schöne Stelle wissen? Einen schönen Platz auf der Erde? Ja? Dann verrate ich dir jetzt etwas.
Suche dir einen sonnigen Frühlingstag aus und fahre in den südöstlichen Zipfel Schwedens. Die Gegend dort heißt Österlen und man sagt, dass sie ein ganz besonderes Licht hat. Fahre früh los, wenn noch nicht so viele Leute auf die gleiche Idee gekommen sind. Fahre in das Dorf Kåseberga. Du kannst bis zu dem winzigen Fischerhafen hinter dem Hügel fahren, von dort ist es nicht zu weit. Oder du gehst direkt im Dorf los, vorbei an dem kleinen Spielplatz und dem kleinen Café. Du musst schon ein paar Schritte den Berg hoch machen, aber so weit ist es auch nicht. Oben ist eine ganz große Wiese. Und schon von weitem kannst du die Steine sehen. Dort stehen 59 große Steine, die zusammen wie ein großes Schiff aussehen. Man nennt sie Ales Stenar. Niemand weiß genau, wer sie dort hingestellt hat. Vielleicht waren es die Wikinger. Sie müssen jedenfalls sehr gut die Sonne und die Sterne beobachtet haben. Der Bug und das Heck des Schiffes zeigen nämlich zur Sommersonnenwende genau zum Aufgang und zum Untergang der Sonne. Lehne dich ruhig an einen der großen Steine. Sie sind ganz warm und es macht Spaß, sie anzufassen.
Du kannst dich auch einfach auf die grüne Wiese setzen und auf die blaue Ostsee und in den blauen Himmel schauen. Aber pass auf, manchmal laufen dort Kühe und Schafe herum! Denen gefällt es dort wohl auch sehr gut.
Hast du auch einen Lieblingsplatz?
Ich wäre gern in Essen warum
Hin und wieder bekomme ich Post von der minijobzentrale. Die minijobzentrale verwaltet prekäre Arbeitsverhältnisse. Sie sitzt bei der Knappschaft Bahn See in Essen. Früher haben sie wahrscheinlich die Sozialversicherungen der Bergleute, Eisenbahner und Seeleute verwaltet. Früher, als es noch Bergleute, Eisenbahner und Seeleute in Deutschland gab. Als wir noch nicht die Dienstleistungsgesellschaft hatten. Jetzt verwalten sie eben Minijobs. Kleine Arbeit, so nennen sie das.
Ich war noch nie in Essen. Manchmal träume ich davon. Essen muss eine wunderbare Stadt sein. In Essen hat die Deutsche Kommunistische Partei ihren Sitz. Früher muss es dort einmal Kommunisten gegeben haben. Ich stelle mir dann vor, wie die Bergleute, Eisenbahner und Seeleute kommunistische Betriebsgruppen gebildet haben, um etwas für ihre Sozialversicherung zu tun. Ein bisschen bin ich wegen der Seeleute irritiert. Essen liegt ja nicht am Meer. Aber eventuell konnte man auf der Ruhr oder auf dem Rhein-Herne-Kanal Binnenschifffahrt betreiben. Ich weiß nicht, was sie in der Deutschen Kommunistischen Partei jetzt machen. Sie haben einen Twitter-Account, der schon einen Monat lang nicht mehr aktualisiert wurde. Vielleicht macht es ihnen keinen Spaß mehr.
In Essen gibt es einen Fußballverein, der Schwarz-Weiß Essen heißt. Sie haben 1959 den Pokal gewonnen. Das ist fünfzig Jahre her. Schwarz-Weiß spielt jetzt vor 400 Leuten 5. Liga in einem Stadion, das Uhlenkrug heißt. In den Uhlenkrug passen 20.000 Zuschauer. Sie warten auf bessere Zeiten. Ab und zu verschickt der Verein einen Newsletter, der mich zu Tränen rührt. Schwarz-Weiß Essen soll ein bürgerlicher Verein sein, habe ich gelesen. Der Arbeiterverein sei Rot-Weiß Essen im Norden der Stadt. Dort gehen wahrscheinlich diejenigen hin, die früher mal Bergleute, Eisenbahner und Seeleute waren. Wenn sie noch zum Fußball gehen.
Sonst weiß ich aber nichts über Essen.