Kategorie: Weblog

das war

Sich in den Ecken verkriechen: Antville, Diaspora. Jemanden kennenlernen und jemanden aus den Augen verlieren. Das Glück, als das Lachen plötzlich zurückgekommen ist und der Witz. Den Formen folgen. Die Bilder sehen. Auf den Felsen von Hammarö ins Wasser rutschen. Den Ball über die Linie schreien. Unwichtige Dinge tun, sich irren, zögern, älter werden, langsam sein.


Trelleborg II

Auf der Fähre werden im Bordshop Tomas Tranströmers Gedichte verkauft | Im Winter haben sie die Palmen reingebracht. An der Strandgatan stehen jetzt beleuchtete Weihnachtsbäume | »Den döende detektiven« bei Söderslätts Bok & Papper. Blaubeertorte bei Palmblads konditori. In der Algatan gibt es alles, was man braucht | Die großen Fährschiffe schauen direkt auf die Fußgängerzone | Ein kleiner Weihnachtsmarkt mit vier Buden. Es gibt Strickmützen und Doughnuts. Die anderen zwei haben geschlossen | In »Trelleborgs Allehanda« bringen sie eine Geschichte über den Weihnachtsbaumverkäufer. Er steht tatsächlich auf dem ICA-Parkplatz | Auf der Rückfahrt das ganze Schiff voller polnischer Arbeiter. Driving home for Christmas

Joachimstraße

Im September 1990 kam ich nach Berlin. Im September 1990 war das kleine Land nicht mehr so richtig da und das große Land noch nicht. Ich fuhr in die große Stadt und bekam einen gelben Studentenausweis aus Pappe und einen Ermäßigungsschein für die Deutsche Reichsbahn, falls ich mal in die kleine Stadt zurückfahren wollte. Es gab nur ein Problem — ich hatte keine Wohnung. Ich hatte nur eine Unterkunft, ein Bett in einem Viermannzimmer in einem Studentenwohnheim im Hans-Loch-Viertel in Friedrichsfelde. Achter Stock, 20 Minuten Fußmarsch vom vom U-Bahnhof »Tierpark«. Erinnerte ein bisschen an meine Kaserne und war nicht gerade mein Traum.

Es musste also eine Wohnung her. Es gab genug freie Wohnungen in Ostberlin, es waren in den letzten Monaten ausreichend viele Leute vom kleinen Land in das große Land umgezogen und noch niemand groß in entgegengesetzter Richtung, aber es gab keine Wohnungsverwaltung. Jedenfalls keine Wohnungsverwaltung, die mir eine Wohnung geben wollte. Ich musste also selbst eine Wohnung suchen. Zufälligerweise hatte jemand gerade eine Wohnung gefunden, obwohl er eigentlich schon eine Wohnung hatte (die Wohnungssuche war ihm zur Gewohnheit geworden) und so bin ich da eingezogen, ein neues Schloss einbauen, einen leeren Keller für die Kohlen suchen, Strom und Gas anmelden und fertig. Ein Bett hatte ich von zuhause mitgebracht und für den Rest standen genug Möbel auf der Straße. Dort lagen auch Kohlen herum. Ich hatte einen Schwarzweißfernseher mit Zimmerantenne und nur einem Programm, aber immerhin Westfernsehen.

Die Wohnung war eigentlich baupolizeilich gesperrt und wahrscheinlich deshalb unbewohnt. In meinem Zimmer hing die Decke ein bisschen durch und ich habe das Bett sicherheitshalber ganz an den Rand gestellt. Ansonsten war es luxuriös, es war hell, es gab ein Innenklo, das über den Flur entlüftet wurde und es gab ein Waschbecken in der Küche. Es war meine erste eigene Wohnung. In Mitte! Ich konnte zu Fuß zum »Babylon« und zum Hackeschen Markt laufen und in der Bernauer Straße war gleich hinter der Mauer ein Aldi. Ich war ein Glückspilz.

Aus dem Fenster zum Hof guckte ich auf einen Spielplatz. Damals war noch alles voller Kinder, doch dann zogen die Leute aus dem großen Land nach Mitte und machten Kneipen auf und Galerien und die Kinder waren erstmal verschwunden. Inzwischen sind die Leute mit den Galerien und den Kneipen alle Eltern geworden und die Kinder wieder da. Neulich war ich nochmal auf dem Spielplatz, um mal in die andere Richtung zu gucken. Das Flurfenster stand offen.