Kategorie: Weblog

Badenachweis I

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Bagdad

Als der dritte Golfkrieg vorbei war, hängte der Mann ein neues Schild an seinen Laden: Bagdad Döner.

Auf der Bank vor dem Geschäft sitzt sein Vater, das Gesicht in der Sonne, in den Händen hält er ein Glas mit schwarzem Tee, die Filzmütze liegt auf dem Tisch. Er blickt auf die Straße, ganz still, auf die Systembäckerei gegenüber, auf die vorbeilaufenden Menschen, auf die hungrigen Tauben auf dem Kopfsteinpflaster, fast so, als ob hier Al Mansour wäre und nicht die Fußgängerzone einer deutschen Kleinstadt, die einmal die Straße der Freundschaft war, als wir noch Ingenieure und Bauarbeiter nach Falluja schickten, um Fabriken zu bauen, Düngemittel für den Sozialismus von Baath.

Ich denke an die vielen irakischen Geschichten, die ich gehört habe, an den sunnitischen Hochzeitsänger, die yezidische Familie aus den Bergen bei Mosul, die traurigen Schiiten aus dem Süden, die Turkmenen aus Kirkuk, die so aufgeregt waren, die Assyrer mit ihrem zerstörten Alkoholgeschäft, den Mann von den Fedajin-Saddam, den kurdischen Jungen, der seine Braut verloren hatte, auf der Flucht vor der Blutrache, den Araber, den Evangelikale in einem Pool getauft hatten, an die Abenteurer, die Verzweifelten, die Peschmerga, die Märtyrer, die Staatenlosen, die Unklaren, an die Brandnarben, die Tränen, das Bitten, das Flehen, die Drohungen, an den Mann, der ohnmächtig geworden war vor Durst, an die Ölfelder, die Wüste nach Jordanien, die trockengelegten Sümpfe des Euphrat, das Kriegerdenkmal am Schatt al-Arab, an all die Geschichten, die erfundenen Geschichten, die wahren Geschichten, die ausgeschmückten Geschichten, die guten Geschichten, die schlechten Geschichten, die protokollierten Geschichten, laut diktiert, zurückübersetzt und genehmigt, eingefangen in ein paar Obersätze, rechtsmittelfest formuliert, an all die Fähren, Flugzeuge, Container, Ladeflächen, Toyota Pickups, die durchwateten Flüsse, das Gebirge an der Grenze inmitten von Kurdistan, die Schlepper, die vielen Dollars, den verkauften Familienschmuck, die Verwandten in Europa, an die verlorenen Pässe, die selbstgemachten Ausweise auf billigem Papier mit den verwischten Stempeln, die Passersatzpapiere mit räumlicher Beschränkung, den Einundfünfzig und die Arztberichte für den Dreiundfünfzig, wenn es für das kleine Asyl nicht gereicht hatte, an die Sachleistungen, die Gutscheine, das Taschengeld und das Flüchtlingsheim im Nirgendwo, die Gemeinschaftsunterkunft, an die Geduldeten, die Untergetauchten, die nicht mehr zu erreichen waren, weg, weiter auf dem Weg.

Der Tourette-Mann, der den ganzen Tag lang durch die Stadt läuft, setzt sich zu dem Vater auf die Bank. Sie unterhalten sich. Ich höre nicht hin.

Im Frühling

Wir waren nach Wieck gelaufen und dann mit dem Schiff (einer uralten Hiddenseefähre, die auf dem Ryck ihr Gnadenbrot bekommt) zurückgefahren. Am Stadthafen stießen wir überraschend auf eine Maikundgebung. Sie hatten Tische und Bänke aufgestellt. Es gab Musik und einen Büchertisch mit DDR-Literatur. Der Grill war schon in Gang und die Leute saßen in der Sonne und aßen. Die Vorsitzende, die Landtagsabgeordnete, der arbeitslose kommunistische Physiker und viele Rentner. Es war fast schon andächtig ruhig und sah so aus, als ob die Arbeiterbewegung an ein Ende gekommen wäre.

Ein Traum wurde wahr, als die Clowns mich in die Zirkusmanege holten. Ich hatte mich extra in die letzte Reihe gesetzt, aber es waren nicht sehr viele Zuschauer in der Vorstellung. Sie wollten vier kräftige junge Männer und als sie das sagten, war mir klar, dass sie mich gleich herauswinken würden. Vier Leute, sie würden uns also ineinander verknoten und dann die Hocker unter dem Hintern wegziehen, diese Nummer, die es in jedem Zirkus gibt. Die Clowns waren freundlich, fast warmherzig. Die Manege roch angenehm nach trockenem Gras und den Tieren. Für einen Moment gehörten wir zusammen, in dieser kleinen Stadt, auf der Festwiese an der Umgehungsstraße, unter der roten Zeltplane mit den Sternen.

Als der alte Mann im Einwohnermeldeamt sagte, so ein Personalausweis wäre zehn Jahre gültig und es wäre der letzte, den er sich holen müsse.

Dinge zum ersten Mal tun: Eine Fahne tragen, eine isländische Soul-Band hören, in einer Partei sein, im Stadion eine Tapete halten, sich für eine deutsche Meisterschaft qualifizieren, sich Sorgen um die Entwicklung des Benzinpreises und der Wechselkurse machen.

Überflüssige Informationen: Auf den Färöer gibt es einen öffentlichen Nahverkehr mit Hubschraubern. In Tórshavn sind die Stadtbusse kostenlos. Die Norröna hat 2011 wieder Gewinn gemacht. Im Juni gibt es nur 18 Regentage.

Jena war so klein, dass der ICE auf beiden Seiten aus der Stadt herausragte.