Kategorie: Weblog

Einen Freund wiedersehen und mit ihm ein Gespräch über Musik führen

Skalitzer Straße, Privatclub. Leif Vollebekk ist nach Berlin geflogen, hat sechs, sieben Stücke gespielt und entschuldigt sich gerade ein bisschen für seine Zugabe, einen Ray-Charles-Song. Zugaben wären in Kanada nicht so üblich und überhaupt sei es ein wenig unhöflich, den nächsten Künstler zu lange warten zu lassen.

– Ich meine, ich bin jetzt zweihundert Kilometer gefahren, um Leif Vollebekk zu sehen und dann ist er nur die Vorband.
– Das ist okay. Ich bin mal nach Hamburg zu Thomas Dybdahl gefahren, der war auch nur Vorprogramm.
– Für wen denn?
– Das weiß ich gar nicht mehr.

Greifswalder Oie

Ø, en. 1) større ell. mindre landomraade, der paa alle sider er omgivet af vand (Ordbog over det danske Sprog).

Nordost bis Nord 4 bis 5, nordwestdrehend, etwas abnehmend, See 2, später 1 Meter. Im Wasser sei noch die Dünung von gestern und vorgestern, alter Wind. Am schwierigsten wäre es, die Leute bei Wetter nachher wieder von der Insel auf das Schiff zu bekommen, es müssten schließlich alle mit zurück. Aber der Wind werde sich legen.

Die Oie sitzt wie ausgestochen auf dem Wasser, ein Klumpen Erde, ein Sandkastenförmchen.

Unfern der Mündung der Peene, ungefähr eine oder anderthalb Meilen in die Ostsee hinein, liegt die kleine Insel Oie. Sie gehörte früher zur Marien-Kirche in Greifswald; seit mehr als hundert Jahren ist sie aber schon zum Kirchspiel Kröslin eingepfarrt. Die ganze Insel wird von ungefähr dreißig Menschen bewohnt, die aus drei Familien bestehen, und auch nur in drei Häusern wohnen. Bis vor dreißig Jahren war noch niemals ein Bettler auf der Insel gewesen. Da geschah es einmal in einem strengen Winter, als die See von Peenemünde bis nach der Insel hin zugefroren war, daß ein Bettler auf den Einfall kam, die Eisbahn zu benutzen und auf der kleinen Insel zu betteln (Jodocus Deodatus Hubertus Temme: Die Volkssagen von Pommern und Rügen).

Dinge, die sich nicht abbilden lassen: Die Wiesen vor dem Meer, die Kormorane auf den Steinen am Strand, der Himmel, der Wald voller Bärlauch, inmitten der Ostsee sein. Am Horizont die Fähre von Swinemünde nach Trelleborg. Himmelfahrt.

Der Wind legt sich. Abends ein Gespräch über die richtige Aussprache von Loitz und Koitenhagen. In den Beinen schaukelt das Schiff noch lange weiter.

Nicht verwendetes Material: F.P.1 antwortet nicht, Karl Krull, Grenzbrigade Küste, nationale Nekropole.



Januar

Die Idee, ein Blog auf einem Etherpad zu führen. Texte schreiben und offen hinstellen, mehr nicht. Keine Kommentare, keine Tags, keine Bilder, nichts weiter. Aber es ist nicht meine Idee.

Nachts, auf dem Weg nach Hause, der klare Himmel über Greifswald. Als Kind las ich Astronomiebücher und Science Ficton. Das Interesse an den Sternen erlosch in dem Moment, als ich verstanden hatte, dass wir dort aus physikalischen Gründen niemals hinfliegen und die anderen treffen würden und das nicht nur, weil es zu weit entfernt ist, sondern auch, weil sie schon lange wieder weg sind oder noch nicht da. Kein Trost in den Zeittheorien gefunden, da nicht verstanden.

In der 10. Klasse Astronomieunterricht mit einem kleinen Mann, der bei jedem Wetter in einem dünnen Pullover und einem abgewetzten Jacket in die Schule kam und zwischendurch mitten in der Schulstunde zum Rauchen verschwand.

Der Gedanke, was aus Georg Heym geworden wäre, wenn es im Januar 1912 keinen Frost gegeben hätte. Im Textkorpus kommt das Wort »Planet« viermal vor. Den großen Tag, wo zwei Planeten sich verbrüdern, will ich noch sehn.

Serielles Erzählen vs. abgeschlossene Geschichten. Perry Rhodan vs. Jerry Cotton. Das Elend der Cliffhanger, das Unfertige, die Verbindlichkeit, der Kosmos, der Überbau. In einem Comicforum war ich auf den Wunsch nach einer Serie gestoßen, die nie zu Ende sei, so wie Perry Rhodan. Danach führte der Weg über den Wikipediaeintrag (gibt es das noch?) direkt zum Bahnhofskiosk, Band 2531 Das Fanal, damit ging es los. Wie ich heute weiß, war es ein Füllroman ohne Handlungsfortschritt, ein Nachhall aus dem vorangegangenen Zyklus. Ich habe nichts verstanden.

Irgendwann sind alle Geschichten erzählt und ich kann bei Nachfragen zu meinem Leben einfach den Link zu dem betreffenden Eintrag in meinem Blog mitteilen.

Sprachen, in denen Redaktör mit ö geschrieben wird: Türkisch, Schwedisch.

Infolge der Erdneigung werden die Tage wieder länger.