Kategorie: Weblog

Ostermontag

In der Stadt spricht mich ein Mann an und fragt nach einem Laden, in dem er eine SIM-Karte kaufen könne. Er komme aus Milano, Italy, Tourist und wolle einen Freund besuchen und habe nur dessen Nummer. Ich versuche zu erklären, dass heute kein einziger Laden offen hat, a christian holiday. Ich gebe ihm mein Telefon, es antwortet nur eine Mailbox. Ob ich dann wüsste, wo es Wifi gebe, sein Freund habe WhatsApp. Mir fällt ein, dass es im Sofa jetzt Freifunk gibt. Ein türkisches Restaurant, Türkiye, er nickt, kommst du aus der Türkei, er nickt wieder. Wir gehen hin. Der Mann ruft H. nochmal an, maybe he is still sleeping, beim zweiten Mal geht der Freund endlich ran, der Mann spricht Arabisch mit ihm und fragt nach seiner Adresse und schreibt etwas auf, damit könne er zu einem Taxifahrer gehen. Er zeigt mir den Zettel: vitospring, ich habe den Namen noch nie gehört. Ob H. deutsch sprechen könne, er lacht, nein, natürlich nicht. Ich rufe selbst bei H. an und verstehe den Straßennamen auch nicht. Er schickt seinen Standort mit Google Maps, Vitus-Bering-Straße. Ich biete dem Mann an, ihn dort hinzufahren, er ist erleichtert. Auf dem Weg erzählt er, dass er aus Syrien komme, a doctor for children, Baschar al-Assad habe ihr Viertel bombardiert. Er spricht dieses kehlige A und dieses rollende R und zeigt mit seinen Händen, wie die Bomben einschlagen. Seine Frau sei mit Baba und den Kindern in Jordanien, er selbst sei in Istanbul gewesen, dort sei es schwer für Syrer. Hoffentlich könne er Baba und seine Frau und seine Kinder bald nach Deutschland holen, niemand verdiene diesen Krieg. Ich denke an Dublin II und an die vielen irakischen Geschichten, die ich gehört habe, ich kann das nicht ausstellen und weiß nicht, was ich ihm glauben soll. Als ob das wichtig wäre. H. steht in der Tür und wartet schon auf uns. Sie umarmen sich dreimal, wir schütteln uns die Hände. Ich solle doch bitte zum Tee bleiben, aber ich bedanke mich nur und fahre zurück in die Stadt, ohne nach seinem Namen gefragt zu haben.

Halbfinale

Das Spiel beginnt um 2 Uhr morgens. Ich habe mir versprochen, dass ich aufstehen werde, wenn sie ins Halbfinale kommen, aber bringe es trotzdem nicht fertig, den Wecker zu stellen. Um zehn nach zwei werde ich wach und setze mich vor den Stream. Südafrika darf wählen und schlägt zuerst. Amla und de Kock gehen schnell, schon im Powerplay, aber du Plessis und Roussow setzen sich fest und bauen das Innings auf. Vor allem du Plessis spielt sehr sicher, so als wolle er bis zum Schluss bleiben. Um halb fünf fangen die Vögel vor dem Fenster an zu singen. Im 27. Over kommt de Villiers und treibt zusammen mit der Nummer 3 den Score bis 216/3, bis es in Auckland zu regnen beginnt. Das Spiel wird unterbrochen und ich lege mich um halb sechs wieder hin. Eine Stunde später gehe ich nachsehen, wie es steht, das Spiel wird auf 43 Over gekürzt und geht weiter. Gleich der zweite Ball von du Plessis wird gefangen. Um mich zu beruhigen, gehe ich duschen und decke den Frühstückstisch. Inzwischen macht Miller aus 23 Bällen 49 Runs und danach kommt noch Duminy, der den Score auf 281 schiebt. De Villiers geht mit 65 Runs not out vom Platz. Nach Duckworth-Lewis muss Neuseeland 298 Runs in 43 Overs machen und obwohl der Platz klein ist, eine Run-Rate von fast sieben sollten Steyn, Morkel und Tahir verhindern können. Im Viertelfinale hatte Südafrika gerade Sri Lanka für 133 Runs komplett ausgeworfen.

Neuseeland spielt alles oder nichts, McCullum schlägt nach jeden Ball, in 32 Minuten macht er 12 Boundaries und 59 Runs, ehe er gestoppt ist. Ich fahre den Rechner herunter, gehe frühstücken und ziehe mich an. Bevor ich zur Arbeit fahre, sehe ich doch noch einmal nach, inzwischen ist das zweite Wicket gefallen, aber Steyn geht verletzt vom Platz und bleibt erstmal draußen. Im Büro sind im 22. Over schon vier Neuseeländer für 149 Runs raus, sie genau die Hälfte geschafft. Ich muss zur Verhandlung. Den Rechner lasse ich an und die Seite offen. Um halb zwölf bin ich zurück, wische mit der Maus über den Schreibtisch, der Bildschirmschoner verschwindet und da steht New Zealand won by 4 wickets (with 1 ball remaining). Ich schaffe es noch, die letzten beiden Over im Ticker nachzulesen, beim siebtletzten Ball hatten sie Elliot fast raus, aber den Ball verloren, aus dem letzten Over brauchte Neuseeland noch zwölf Runs, und nach zwei Bällen noch zehn. Steyns Oberschenkel muss minutenlang auf dem Platz behandelt werden. Dann macht Vettori, selbst ein Bowler, eine Vier und ein Bye. Elliot kommt dadurch wieder an den Schlag und hämmert den vorletzten Ball über die Boundary, sechs Runs und das Spiel ist vorbei. Es ist nicht zu fassen. Ich bin froh, dass ich das nicht live verfolgen musste. Südafrika weint, diese Mannschaft hätte Weltmeister werden können, es war ihre beste Zeit. In vier Jahren wird es dieses Team nicht mehr geben.

Dezember, Januar

Von Nordwest zieht ein Sturmtief nach dem anderen durch. Der November ist sehr lang in diesem Jahr.

Nachts träume ich von meinen Akten, ich sehe zwei neue Rechtsprobleme, zwei Freibauern, die einfach bis zur Grundreihe durchziehen, ohne aufgehalten zu werden. Am Morgen wundere ich mich, wie banal das ist. Ich fahre zwei Tage früher aus Leipzig zurück, ohne Herrn F. zu treffen und schleiche mich wieder an den Schreibtisch. Important Bird Area, Pufferzone, substantiell Raum geben, wegwägen. Rote Liste, Kategorie 0: ausgestorben oder verschollen – wer es dahin geschafft hat, steht ganz oben in der juristischen Hackordnung.

Radio Free Americana, The Lake Radio. Als ob dir jemand seine Plattensammlung zeigt. Ich räume die Blogroll auf und lese mich fest. Als ob dir jemand sein Tagebuch gibt.