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Auf dem Makruk-Server

In Südostasien werden verschiedene lokale Schachvarianten gespielt. Am größten ist wahrscheinlich Xiangqi, das chinesische Schach (象棋), das in Vietnam sehr verbreitet ist. Danach folgt Makruk, das ist das thailändische Schach (หมากรุก). Makruk ist nicht sehr weit vom westlichen Schach entfernt. Es wird auch mit Figuren auf einem Brett mit acht mal acht Feldern gespielt. König, Turm, Springer und Bauer funktionieren identisch. Der größte Unterschied ist die Dame, die wie in allen ursprünglichen Schachvarianten die schwächste Figur ist und nur ein Feld weit diagonal zieht.

Das Schach in Kambodscha (អុកចត្រង្គ) heißt Ouk Chatrang oder Ok und ist mit Makruk fast deckungsgleich. Es unterscheidet sich vom thailändischen Schach nur dadurch, dass zwei zusätzliche Anfangszüge erlaubt sind: Der König kann in seinem ersten Zug eine Art kleine Rochade machen und wie ein Springer zur Seite ziehen. Die Dame (und damit nähern wir uns dem Thema) kann mit ihrem ersten Zug zwei Felder nach vorn ziehen, sobald der Bauer dort nicht mehr steht. Das Ganze dient nur der Zeitersparnis, auch beim Makruk ziehen König und Dame in der Regel dorthin, allerdings mit zwei Zügen.

Es gibt einen einzigen Server, auf dem man Makruk spielen kann und offenbar hatte sich neulich auch ein Kambodschaner dorthin verirrt, wie sein Handle khmerstronger unschwer vermuten lässt. Das dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass er hier den Bauern auf c3 mit Sf4-e2 deckte, was das hübsche Stickmatt Sd5-e3 erlaubte. Ich sah bildlich vor mir, wie in Phnom Penh ein armer Kerl vor dem Rechner saß und vergeblich De1xe3 zu ziehen versuchte.

Die nächste Partie gegen ihn habe ich dann verloren.

Etwas über Kühltruhen

Kühltruhen waren schwer zu bekommen. Das merkte ich, als mein Vater eines Tages plötzlich mitten auf der Straße das Auto wendete, um ein Pferdefuhrwerk einzuholen, das eine Kühltruhe geladen hatte. Mein Vater war ziemlich aufgeregt. Woher er die Kühltruhe denn hätte? Aus dem Kaufhaus in der Ernst-Thälmann-Straße.

Ich erfuhr binnen kürzester Zeit, dass es für Kühltruhen eine Warteliste gab wie für Autos, dass wir inzwischen ganz oben auf der Liste standen und dass die Kühltruhe auf dem Fuhrwerk deshalb eigentlich jetzt unsere Kühltruhe sein müsste. Kühltruhen waren offenbar fast so wertvoll wie ein eigener Telefonanschluss. Mein Vater fuhr deshalb sofort zum Kaufhaus und machte Druck (wie man so sagt) und ein paar Tage später hatten wir dann auch eine Kühltruhe. Wir hatten dann sogar ein Gerät, mit dem man die Folien um das Gefriergut herum verschweißen konnte, um dem gefürchteten Gefrierbrand zu entgehen. Auf der Folie wurden Inhalt und Datum vermerkt und auf der Unterseite des Deckels der Kühltruhe waren Piktogramme, von denen man ablesen konnte, wie lange die Sachen gewöhnlich haltbar blieben. Trotzdem: Was ganz unten lag, hatte es schwer, nicht in Vergessenheit zu geraten. Wie überall.

Das einzige Problem von Kühltruhen ist, dass sie ziemlich groß sind. Die Kühltruhe passte nicht in die Wohnung und stand deshalb zwei Stockwerke höher auf dem Treppenabsatz vor dem Dachboden. Ab und zu wurden wir hochgeschickt, um etwas aus der Truhe zu holen, was nicht immer leicht zu finden war. In einer Kühltruhe sieht nach ein paar Monaten nämlich alles ähnlich aus.

Inzwischen ist es kein Problem mehr, eine Kühltruhe zu kaufen, aber ihre Bedeutung geht stark zurück. Ich denke, das hängt mit der Überproduktion und dem Niedergang der Vorratswirtschaft zusammen. Und mit deren Größe natürlich. Unsere neue Kühltruhe auf Westniveau stand darum zuerst im Badezimmer neben dem Waschbecken und seit dem letzten Umzug ist sie im Keller. Sie verbraucht eine Menge Strom. Wir haben deshalb den Stecker rausgezogen.

Braucht vielleicht jemand eine Kühltruhe?

Malmö

In Schweden benutzt zwar praktisch niemand mehr Bargeld, aber sie haben im Sommer trotzdem alle vernickelten Kronen aus dem Verkehr gezogen und durch winzige neue Münzen ersetzt. Mit Rücksicht auf die Allergiker. Die Schweden lieben diese Begründung. Ich erleichtere mein schwedisches Portemonnaie um 57 wertlos gewordene Kronen. Ich könnte reich sein.

Das Schiff ist fast leer. Der Dezembersturm hat sich rechtzeitig gelegt. See anfangs 3 Meter, aber selbst davon ist nicht mehr zu spüren.

Das Hotel ist aus dem 19. Jahrhundert. In der Mitte des Treppenhauses liegt ein vergitterter Fahrstuhlschacht, nur der Liftboy fehlt. Die alten Zimmer wurden mit Pappwänden parzelliert. Ich schlafe mit Ohrstöpseln, trotzdem wache ich um halb sechs vom Schnarchen meines Zimmernachbarn auf. Um halb sieben fängt er zu telefonieren an, er hat auf Lautsprecher gestellt. Als ich an die Wand klopfe, wundert er sich, warum ich noch schlafen wolle, es gäbe doch gleich Frühstück. Mein Zimmernachbar spielt auch beim Schachturnier mit. Das ganze Hotel ist voller Schachspieler, wir haben einen Preisnachlass bekommen.

In der vorletzten Runde spiele ich gegen Nejib aus Lund. Er ist 72 Jahre und hat neben dem Brett immer ein abgegriffenes französisches Taschenbuch zu liegen. Wir spielen eine lange umkämpfte Partie, die schließlich mit einem Unentschieden endet. Nejib bedankt sich für ihren Inhaltsreichtum, er habe so gut gespielt, wie er könne. Ich bedanke mich auch. Es kommt sehr selten vor, dass beide Spieler glücklich sind.

In der letzten Runde ist Feueralarm. Knapp dreihundert Menschen verlassen den großen fensterlosen Raum durch eine schmale Glastür. Zum Glück brennt es nicht. Ich frage Nejib, was los sei und er sagt, es gäbe in diesem Land viele Regeln und es sei sehr wichtig, dass wir sie einhielten. Nach zehn Minuten kommt die Feuerwehr und wir dürfen zurück ins Haus.

Der kleine Weihnachtsmarkt ist mit Betonsperren gesichert. In den Bäumen hängen Geschenke.