Kategorie: Notizen

Mein Französisch ist verschwunden. Ich erinnere mich nur noch an ein paar Lieder: Sur le pont d’Avignon, J’ai du bon tabac, Marseillaise. Wir haben viel gesungen. Es war die dritte Fremdsprache, wir machten den Abiturstoff in drei Jahren, fünf Stunden die Woche.

Unsere Lehrerin liebte die Sprache, obwohl sie niemals in Frankreich war, nur in Gedanken. Sie war immer gut gekleidet und trug eine extravagante Brille, deren Bügel an der Unterseite der Gläser ansetzten. Unsere Vornamen sprach sie französisch aus. Grandeur zwischen abgewetzten Schulbänken.

Madame N. hatte ein etwas hysterisches Verhältnis zur Technik, sie war ihr unheimlich. Einmal in der Woche gingen wir in das Sprachkabinett im Erdgeschoss und machten, mit speckigen Kopfhörern auf den Ohren und in abgetrennten Kabinen sitzend, Übungen in Aussprache und Hörverständnis, sobald es unserer Lehrerin gelungen war, das Tonbandgerät in Gang zu setzen. Sie saß dazu auf einem Podest und einmal blieb sie auf dem Weg dorthin mit ihren hohen Absätzen in einer Ritze zwischen den ausgetretenen Holzdielen hängen, mit den Armen entsetzt durch die Luft rudernd, Hilfe! Hilfe! Das ist geblieben.

– via Libralop

– aus: Harold Murray: A History Of Chess (1913)

Große Aufregung im Internet: Heute morgen hat sich offenbar jemand im Radio dagegen ausgesprochen, an Grundschüler Tablets auszuteilen. Wobei Aufregung inzwischen nicht mehr »Ich bin anderer Meinung, und zwar aus folgenden Gründen«, sondern »Warum darf dieser Typ überhaupt im Deutschlandfunk reden? Schafft ihn weg!« bedeutet.

Ich musste an die Geschichte eines Freundes denken, der berufsbedingt den Wissenschaftsbetrieb in der Mathematik perfekt kennt und viele Jahre in Berufungskommissionen und ähnlichen Gremien gesessen hat. Er erzählte, dass es in einer Probevorlesung genau zwei Typen von Mathematikern gebe. Die einen klappten einen Laptop auf und zeigten eine Präsentation. Die anderen stellten sich mit einem Stück Kreide an die Tafel und schrieben diese nach und nach voll. Die Guten seien immer die mit der Kreide.

Vielleicht können wir uns auch nur deshalb so kompetent über den Mann aus dem Radio aufregen, weil wir zur Schule gegangen sind, als es dort noch keine Smartboards und Tablets gab?