Klagefall

Autor: Stefan

Jenny Erpenbeck. Kairos. Ich kann verstehen, warum Jenny Erpenbeck für dieses Buch den Booker-Preis bekommen hat, sie kann eine Geschichte aufschreiben, das gefällt mir. Aber das Buch ist nicht nur die quälende Geschichte einer schrecklichen Paarbeziehung, sondern auch eine unfassbare Rechtfertigung der DDR, Erzählperspektive hin oder her. Die beiden Protagonisten sind Teil der privilegierten Kulturelite der DDR, mit Reisegenehmigungen und voller Verachtung für den Westen und die einfachen Leute. Die bleiernen letzten Jahre der DDR, die überdeutlich an ihr Ende gekommen war, bilden den Hintergrund der Handlung, sie werden von den Romanfiguren voller Selbstmitleid, mit schwülstigem Pathos und unter Verklärung der sozialistischen Gewaltgeschichte geschildert. Das ist kaum auszuhalten. Nebenbei ist das Buch schlecht recherchiert: Es ist immer ein schlechtes Zeichen, wenn jemand nicht nachgelesen hat, wie die Schachfiguren eigentlich heißen, außerdem sollte man wissen, welche Wahl im Mai 1989 gefälscht wurde, wenn man darüber schreibt. 35 Jahre nach ihrem Untergang ist die DDR, die ein ethnisch homogener, fremdenfeindlicher, antisemitischer und antiamerikanischer Staat war, wieder zu einem positiven Bezugspunkt geworden. Wenn man wissen will, warum Putins Russland in Ostdeutschland so gefeiert wird, dieses Buch bildet die aktuelle Stimmung gut ab.

Noch eine Familiengeschichte

Über das Zeitungsportal der Deutschen Digitalen Bibliothek bin ich auf diesen Bericht im Hamburger Fremdenblatt vom 12. Dezember 1901 gestoßen. Schwerer verlief der Unglücksfall des Dampfers „Achroite“, den wir gestern auch telegrafisch mitteilten. Der englische Kohlendampfer „Achroite“ aus Glasgow, von Hamburg in Ballast nach der…

Demokratie funktioniert. Noch nie gab es bei den Kommunalwahlen hier so viele Listen und Kandidaten wie in diesem Jahr. Im Wahllokal standen sogar Stühle, auf denen man nach der Registrierung warten konnte, bis eine Wahlkabine frei wurde. Es war ein bisschen wie beim Arzt, nur dass man nicht aufgerufen wurde und es keine Zeitschriften gab. Der Mann in der Kabine neben mir hat offenbar alle vier Stimmzettel komplett durchgelesen, bevor er sich entscheiden konnte, das hat bestimmt zehn Minuten gedauert. Bei mir ging es schneller. Ich habe nur Leute gewählt, die ich persönlich kenne. Einfacher war es nur, als ich noch in einer Partei war, damit wird einem die Entscheidung abgenommen, das ist sehr entlastend. Wenn du nie weißt, was du wählen sollst: Das ist meine Empfehlung.

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