Autor: admin

Nina Hemmingsson: Drei Gedichte

Im Haus nebenan wohnen drei Generationen Blondinen
Merkt euch was ihr beim ersten Schritt fühlt
sage ich zu ihnen
Dann lächeln sie nachsichtig
Bei diesen Dingen bin ich sehr alt
wenn man über den ersten Schritt spricht und so
Uralt und die Blondinen wissen das
Musst du nicht nach Hause und die Blumen gießen
fragen sie höflich
Ich halte das für aufrichtiges Interesse
und erzähle über meine drei Pflanzen
Mit den beiden im Schlafzimmerfenster fange ich an
Die gieße ich alle drei Tage
nicht mehr und nicht weniger
Dann blühen sie manchmal
Zuletzt im Frühling glaube ich
Dann habe ich noch eine dritte Pflanze
Sie steht in einem Erdklumpen
Ich weiß nicht mehr warum aber der Blumentopf ist weg
Ich gehe mit dem Klumpen vor der Brust
durch alle Zimmer
Wenn ich sie hinstelle wird sie sterben
oder am Untergrund festwachsen
und dann den ganzen Fußboden überwuchern
Ich muss mich um sie kümmern
bis sich ihre Wurzeln in meine Brust gefressen
und mein Herz umschlungen haben
Die Blondinen sind nicht mehr da
und ich habe den dritten Tag hintereinander getrunken
oder den vierten wenn man richtig zählt

–––

Wir liegen im wärmsten Zimmer
mit den kaputten Jalousien
Zufällig weiß ich ein paar Sachen
über die Verbreitung und das Verhalten
der einheimischen Vogelarten
In dieser Nacht waren die Fasane
ungewöhnlich laut sage ich
Man hört noch mehr
sagt er und meint mich
wie ich mein Tierwissen aufsage
Dann dreht er sich um
und zieht die Decke weg
und das Dämmerungslicht
trifft meinen Körper
und ich sehe wie das Haar auf meinem Bauch
wächst und sich über die Brust ausbreitet
und ich lege die Hand
genau über den Bauchnabel
und streichle das Fell mit dem Strich
Im Mund habe ich einen Geschmack
von Angst und Grapefruit
und wenn ich sterbe dann ohne
Hautkontakt
Mir bleiben die Hunde
Sie sind mutiger als ich
Sie schwimmen raus und holen
die Spielsachen
die so weit weggetrieben sind
dass ich sie für Enten halte

–––

Heute bin ich nicht da
ich habe einen Termin
bei einer Art Betreuer
Ich darf mir aussuchen was ich will
in dem Café in dem wir besprechen sollen
welche Art von Hilfe
ich im Alltag brauche
Ich erzähle dass ich
durch die Augenlider
kleine zitternde Hände sehe
und dass ich mich in einem unbeobachteten Moment
auf die gefrorene Erde legen
und allen Jahreszeiten verzeihen werde
was sie mir und meiner Familie
angetan haben
Dort wo dein Körper den Boden aufgetaut hat
könnte man eine Laube bauen
sagt der Betreuer voller Hoffnung
Sie haben auch meinen Hund umgebracht
sage ich in den Raum hinein

Übersetzt nach Nina Hemmingsson: Det var jag som kom hem till dig. Stockholm: Atlas, 2012. Nina Hemmingsson ist in Schweden vor allem wegen ihrer Comicserien im Aftonbladet bekannt.

Gedser

S. hatte auf der Hinfahrt nach Lund den Cache an der Autobahnraststätte nicht gefunden, Dänemark war weiterhin nicht geloggt. Auf der Rückfahrt plante R. daher eine Stunde in Gedser ein. Die Dose an der Kirche war schnell gefunden (Magnetismus), den Cache am Geologischen Museum gaben wir nach 20 Minuten did not found (wahrscheinlich die leere Bohrung im Feldstein auf dem Hof), die Kiste am Søndre Blvd. war dann ganz leicht (Trampelpfad). Die Fähre fuhr auf dem Horizont so langsam in Richtung Hafen, dass wir kurz überlegten, noch einmal zum Museum zurückzukehren. Das machen wir aber beim nächsten Mal. Dann gehen wir auch ins Toldcaféen (wahrscheinlich hyggelig) oder in den Havnekroen (wahrscheinlich auch).

Ich war ein bisschen mit Dänemark versöhnt, als die Sonne vor meinen Füßen auf die Ostsee schien. Wer weiß, vielleicht ist sogar Nykøbing eine schöne Stadt. Das wäre eine Tagestour.

(Ich müsste auch mal die Geschichte von Paloma recherchieren. Neunziger Jahren, analog, alles verschollen.)

Trelleborg, Rostock


Die Valengallerian ist am Samstagabend fast leer, nur vor dem ICA im Erdgeschoss sind die Rollläden noch nicht heruntergelassen. Als wir von der Kasse kommen, ruft mir der Wachmann etwas zu, aber ich verstehe nicht, was er sagen will. Er lacht, ich lache auch. Die Shoppingmall kann abgeschlossen werden.

Trelleborg ist an diesem Abend ein Transitraum. Auf den Straßen sind nur noch ein paar deutsche Touristen unterwegs, die auf die Nachtfähre warten und die letzten Kronen in einer Pizzeria und im ICA ausgeben, so wie wir. Noch im fremden Land, aber schon ein bisschen zurück im eigenen, im Hafen liegt ein deutsches Schiff, die Sachen in der ICA-Tüte sind für das Frühstück zu Hause. Im Fährterminal wird wie selbstverständlich deutsch gesprochen. Alle warten, alle machen Abschiedsfotos.

Den Mann, der mit zwei weißen Terriern unterwegs ist, die er in einem mit Fähnchen geschmückten Kinderfahrradanhänger vor sich herschiebt, haben wir schon im Bus von Malmö getroffen. Er ist aufgeregt, läuft umher und spricht jeden an, den er sieht. Irgendwie muss er es geschafft haben, schon vor dem regulären Terminalbus auf das Schiff zu kommen. Wir sehen ihn erst am Morgen wieder, als er rufend und gestikulierend den Anhänger vor allen Bussen, Lastkraftwagen, Autos und Fahrrädern die Auffahrt zur Fähre herunterschiebt.

In der Kabine rauscht die Klimaanlage. Den Ventilator im Bad verstopfe ich mit einem Handtuch. Zur nächsten Überfahrt muss ich eine Filzmatte und Klebeband mitnehmen.

Erfahrene Passagiere sind daran zu erkennen, dass sie zum letztmöglichen Zeitpunkt am Ausstiegspunkt auf Deck erscheinen, weil sie die Wege auf dem Schiff (bis zur violetten Treppe durchgehen) und die Dauer des Anlegemanövers (Drehen im Hafen) schon kennen.

Im Rostocker Hafen rekonstruiert sich die abendliche Gemeinschaft aus dem Terminal beim Warten auf den Stadtbus. Ich bin etwas erleichtert, als der Mann mit den Hunden in Lütten Klein mit der S-Bahn in Richtung Warnemünde weiterfährt.