Autor: admin

Heute kam [1] eine dicke Box mit dem remasterten White Album. Ich hatte ein bisschen überlegt, ob ich die Esher Demos dazu wirklich brauche, aber ja, richtige Entscheidung, wunderbare Aufnahmen.

[1] Mit der Post. Ich hätte gern einen Plattenladen in der Stadt, doch leider.

Nachtrag

Wald und Höhle erzählt hier mit Musikerohren seine eigene Albumgeschichte.

Entropie

Unsere Osterfreunde hatten mir ein Buch ins Krankenhaus geschickt zur Erinnerung an die gemeinsame Zeit auf der Pfaueninsel und am Tag vor dem Eingriff las ich es und zum Ende hin holte ich mir einen Stift aus der Tasche und fing an, ein paar Anstreichungen zu machen.

Das Vergehen der Zeit, dachte sie, war ja vor allem ein Vergehen von Zukunft und ein Sieg der Vergangenheit. Einer Zeit also, zu der sie gehörte und die nicht verging. Wie verging einem Tier im Käfig seine Zeit? Oder hatten die Tiere, die ja nicht wussten, dass sie sterben mussten, gar keine? Wie seltsam, dachte sie, dass eine Welt vergehen und zugleich dableiben konnte. Dass immer mehr verschwand als entstand und doch alles zunahm. Jeder Liebende ist ein Überlebender. Doch auch die Toten sind weiter unter uns, als wäre nichts geschehen. Jeder Garten ein Friedhof.

– Thomas Hettche: Pfaueninsel

Nachbarn

Der Mann im Bett nebenan ist dreiundachtzig. Er hat multiple Vorschäden und muss sechs Stunden fest liegen, im Druckverband. Er verhandelt mit den Schwestern, ohne Erfolg. Am nächsten Morgen sitzt er im Nachthemd auf der Bettkante und rasiert sich. Am Nachmittag kommt seine Frau zu Besuch. Und denk immer daran: Das war nicht der erste und nicht der letzte Kuss!

M. haben sie mit dem Hubschrauber hergebracht. Er arbeitet auf der Ostsee, sie bauen einen Windpark im Meer vor Bornholm. Sie wohnen auf einem Schiff, hundertzwanzig Männer, drei Frauen, zuviel Testosteron. Zwei Wochen lang zwölf Stunden Schicht, zwei Wochen zuhause. Am Morgen war er von seinen Zahnschmerzen ohnmächtig geworden. Sie wissen nicht, was sie machen sollen. In der Nacht geben sie ihm Morphium, am nächsten Tag einen Zahnarzt. M. erzählt von seiner Arbeit, von der Höhe, von den riesigen Schrauben, die sie festziehen müssen, von der Angst, von seiner Familie in Warschau, von den deutschen Großeltern und von den polnischen. Die einen in der SS und die anderen in Auschwitz. Am Abend ruft er den Arzt für mich, als es mir schlecht geht. Endlich darf er nach Hause. Wir umarmen uns.

Der Mann hinter der Stellwand.

U. ist nur noch halb da. Er hat keinen Bauch mehr, sie spritzen das Heparin ins Bein. Bei U. kam alles auf einmal, im Januar ging es los und es ist noch lange nicht zu Ende. Er hat ein Siedlungshaus, das seine Eltern gebaut haben, der Hof hat über einen halben Hektar. Er war nie woanders, doch der Zusammenhalt ist vorbei, jeder macht nur noch seins. Der Hof ist voller Tiere, aber er kann sie nicht mehr versorgen, die Tauben und Enten sind schon weg. Als Kind haben sie Stare geschossen, mit dem Knicker, die Haut abgezogen und auf den Grill, aber heute sperren sie dich ein, wenn du ne Wespe totschlägst. Jetzt kann er nichts mehr essen, nur noch püriert, und selbst das nicht.