Schlagwort: Cricket

#086

Newlands Cricket Ground heute Vormittag. Die Sonne scheint, die Tafelberge sind nicht mehr wolkenverhangen und Südafrika hat am vierten Tag gegen Australien das, was sie healthy lead nennen. Es könnte also alles in bester Ordnung sein.

Aber gestern hatten die Kameras beobachtet, wie der Australier Cameron Bancroft den Ball auf dem Feld erst an einem leuchtend gelben Stückchen Sandpapier rieb und dieses dann in seiner Hose versteckte. Das nennt man Ball tampering. Der Ball ist im Cricket heilig. Er darf (mit Schweiß oder Spucke, nicht jedoch mit Haargel) poliert, mit einem Handtuch abgetrocknet und von Schmutz befreit werden, mehr nicht. Es wird mit ein und demselben Ball gespielt, der frühestens nach 80 Overs getauscht wird. Fliegt er aufs Dach oder aus dem Stadion, versucht der Ground staff, ihn zurückzuholen. Der Ball verändert mit der Zeit seine Eigenschaften, er wird weicher, langsamer, schwerer berechenbar, die Nähte platzen auf, er springt anders ab. Das ist Teil des Spiels. Mit Tampering soll der Swing des Balles weiter erhöht werden. Eine Seite wird poliert und die andere möglichst aufgerauht, die Aerodynamik wird beeinflusst, der Ball fängt an zu eiern. Das macht es den Batsmen schwerer.

Wahrscheinlich hat es für Australien noch nicht einmal funktioniert, die Schiedsrichter haben den Ball gar nicht erst ausgetauscht. Trotzdem: Cricket ist ein Sport für Gentlemen. Sogar der australische Premierminister schaltete sich in die Diskussion ein und forderte im Namen der Nation Konsequenzen gegen sein Team. Der Kapitän Steven Smith verlor sein Amt und wurde für ein Match gesperrt. Bancroft und Smith bekamen hohe Geldstrafen. Man möge sich im Fußball eine vergleichbare Situation nach Schwalbe und (verschossenem) Elfmeter vorstellen.

Als Bancroft und Smith heute für ihr zweites Innings auf das Feld kamen, wurden sie vom Publikum sogar ausgebuht. Auch auf solche Gefühlausbrüche würden wir gern weiterhin verzichten.

Nachtrag

Der australische Cricketverband hat Smith und Vizekapitän Warner für ein Jahr gesperrt, Bancroft für neun Monate.

#039

Morgen beginnt die Indian Premier League, wie in jedem Jahr das größte Spektakel im Cricket überhaupt. Die besten Spieler der Welt im Land mit den verrücktesten Fans der Welt. Cheerleading, Feuerwerk, Fanfaren, knallbunte Trikots, goldene Helme. Okay, es ist nur Twenty20, nichts für Puristen, aber trotzdem. Und danach fängt der Sommer an.

Etwas zu Schallplatten

Glücklicherweise habe ich diese Probleme nicht. Ich höre viel Musik, aber ich bin kein Sammler. Es muss nicht vollständig sein. Irgendwann habe ich aufgehört, mir die neuen Sachen von The Cure zu kaufen, David Bowie ist extrem lückenhaft, Leonard Cohen auch, es kann gut sein, dass ich die frühen Kent-Platten nicht habe und mit Bob Dylan habe ich sicherheitshalber gar nicht erst angefangen. Ganz zu schweigen von Jazz. Ich habe ein paar Dinge, aber die Diskographie von John Coltrane und Miles Davis ist ohnehin nicht mehr zu schaffen. Das kann man in einem Leben noch nicht mal alles anhören.

Ich kaufe noch immer CDs. Kein iPod, kein Streaming, keine Platten, keine Kassetten. Schallplatten waren DDR, als der Westen kam, ging es gleich mit den CDs los. Die guten Platten hat sich mein großer Bruder mitgenommen und der Rest steht in einer Kiste auf dem Dachboden.

Eigentlich könnte das alles so bleiben, wie es ist, aber inzwischen habe ich ein bisschen Sorge, dass diese Technik eines Tages einfach abgeschaltet wird, so wie sie es jetzt mit der Mittelwelle machen. Dass der CD-Player mit diesem Laserstrahl mal kaputtgeht und es im Laden keinen neuen mehr zu kaufen gibt oder dass die Musik verschwindet, die sie irgendwie auf diese Scheiben raufgedampft haben.

Aber Schallplatten (oder Vinyl, wie man jetzt sagt) sind nerdiges Zeug. Man braucht eine Anlage, einen Plattenspieler, einen Verstärker, Boxen, diese antistatischen Tücher, man muss sich um den Saphir kümmern, den Riemen, alles eine Wissenschaft. Die Platte vorsichtig aus der Hülle holen, auf diesen Stöpsel in der Mitte legen, den Motor in Gang setzen, die Nadel langsam auf die Platte absenken, den Deckel schließen und nach 20 Minuten die Platte umdrehen, wenn bis dahin alles gutgegangen ist. Platten verkratzen, sind groß und schwer zu transportieren. Das Cover knickt an den Ecken leicht ein. Jeder, der mal diese Supertramp-LP von Supraphon in einem Rucksack von Prag nach Hause bringen musste, weiß das.

Andererseits, Coolness:

Die Eingangsszene der zweiten Staffel von »Lost«, in der das erste Mal Desmond Hume und die alte Schwan-Station der Dharma-Initiative auftauchen.

Der letzte Teil der ersten Staffel von »Bosch«, als Hieronymus Bosch seiner Tochter Madeline »Patricia« von Art Pepper auflegt:

– How’d you like the tune?
– It was good. I don’t really know anything about jazz, but I liked it.
– I’ll get you some CDs.
– I don’t have a CD player. I download all my music.
– Right. I’ll get you some discs and a CD player. Better yet, I’ll get you some vinyl and a turntable. Best way to listen.

Ed Smith zieht eine schöne Parallele von Vinyl vs. Streaming zu Test Cricket vs. Twenty20. Aber Test Cricket ist wirklich ein anderes Spiel als das süße Gift Twenty20 (nicht nur ein Sport, sondern ein Weg, den ganzen Tag zu verbringen, wie Smith richtig schreibt, und eigentlich nicht nur einen Tag, sondern eine Woche). Wird aus der Musik auf der B-Seite einer Single etwas anderes, wenn sie bei Spotify gestreamt wird?

Hier wäre jedenfalls ein Plattenladen.