Monat: Dezember 2019

#144

Seit einigen Jahren lese ich die diversen Blogs von Stephan Kleinert, der vor allem über sein Leben am Rande des Rheins schreibt und fotografiert. Und der ein Musiker ist. Sein Band heißt Botany Bay und jetzt habe ich es endlich geschafft, deren neueste und vielleicht letzte Platte thanksgiver zu kaufen. Man merkt, dass sie niemandem mehr etwas beweisen wollen, sehr angenehm, sehr sicher. Vor allem die Suite auf der ersten Seite fließt wie ein warmer, langsamer Fluss durch den Raum. Wunderschönes Artwork, saubere Pressung. Ich bin ganz glücklich über diese Entdeckung.

#143

Ich habe Keimzeit mehrmals gesehen, Anfang 1991 in einem Ostberliner Neubauclub ganz weit draußen, Friedrichsfelde oder so. Sie hatten dreieinhalb Stunden gespielt und als sie aufhören wollten, sagten die Leute, sie kommen jetzt nicht in die Stadt zurück, so mitten in der Nacht und der Sänger fragte die Leute, wann denn die erste U-Bahn fährt und die Leute sagten, um halb fünf und der Sänger sagte, okay, dann spielen wir bis halb fünf und sie spielten noch zwei Stunden länger. Those were the times.

– Kommentar zu samojede

Im November

Unruhe wegen eines Freundes, von dem ich seit vielen Jahren nichts mehr gehört habe. Ich gehe zu dem Haus, in dem seine Familie längst nicht mehr wohnt. Aber unter dem Dach ist Licht. Als ich an der Tür klingele, öffnet sein Bruder. So lange hätte ich mich nicht gemeldet und nun sei es auch zu spät. Er macht mir Vorwürfe, mir fehlen die Argumente. Aufgewacht.

Auf der Straße eine 20-Cent-Münze gefunden, es glänzte in der Sonne wie Goldstück. Das soll mir Glück bringen.

Im Büro stehen Änderungen bevor. Es wird auch höchste Zeit. Mir fehlt inzwischen die Kraft für Auseinandersetzungen, die zu nichts führen können. Auch eine Sache, die sich verändert hat: Ich will mich um so etwas nicht mehr kümmern oder ich kann es nicht mehr, eins von beiden.

Unbeantwortete Mails, nicht erledigte Anrufe, steckengebliebene Kommunikationen. Ich bin so schlecht in diesen Dingen, ich schaffe es noch nicht einmal, meine Freundschaften zu pflegen.

Ich vernehme eine Psychologin als Zeugin. Beim Rausgehen wünscht sie mir Alles Gute! Respekt, ich fühle mich durchschaut.

Alle in der Klinik bekamen einmal während ihres Aufenthalts den Chefarzt zu sehen. Er stellte sich vor den Saal, verdunkelte das Licht, streckte die Hände aus und sagte Ich möchte Sie trösten. Es erschien uns noch nicht einmal unpassend. Am Ende liefen seine Ratschläge auf zwei Sachen hinaus: Entspannung und dreimal in der Woche schwitzen. Wir gehen also wieder in die Muckibude. Ich sitze auf dem Ergometer, fahre 100 Watt und hoffe, dass ich es überstehe. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Es ist wie beim Baden im Sommer – ich habe keine Freude daran und bin froh, wenn ich wieder aus dem Wasser bin. Aber immerhin gehe ich rein.

Zweimal im Theater, Hamlet und Hamletmaschine. Zu meiner Überraschung ist es voll, wie vor dreißig Jahren. Liebe Theaterleute, vertraut doch einfach auf den Text. Der Rest ergibt sich dann von selbst.

Ich werde ihm noch einmal schreiben.