Monat: Oktober 2014

Lina Ekdahl: Was willst du

Warum kommst du her. Warum bist du hier. Was machst du. Was machst du hier. Wer bist du. Wie heißt du. Was willst du. Warum stehst du hier. Woran denkst du. Was wünschst du dir. Was willst du. Warum stehst du hier. Worauf wartest du. Wie heißt du. Wo ist deine Mama. Wo ist dein Papa. Wo arbeitet er. Wo arbeitest du. Was willst du. Was isst du. Isst du Fleisch. Isst du Fisch. Isst du scharf. Isst du fad. Bist du gesund. Was für Krankheiten hast du. Was für Krankheiten hast du gehabt. Kannst du lesen. Kannst du schreiben. Kannst du pfeifen. Was für Sprachen kannst du. Kannst du Finnisch sprechen. Englisch. Deutsch. Portugiesisch. Verstehst du Dänisch. Was willst du. Welche Kleidung magst du. Interessierst du dich für Sex. Bist du traurig. Was machst du. Warum stehst du hier. Warum sagst du nichts. Was willst du. Was machst du gern in deiner Freizeit. Magst du baden. Schwimmen. Tauchen. Auf einen Berg klettern. Krabben fangen. Krebse. Was willst du. Fährst du Ski. Bist du aus Skåne. Gästrikland. Småland. Jämtland. Woher kommst du denn. Was ist deine Lieblingsfarbe. Warum denn. Was willst du. Wie heißt dein bester Freund. Wo wohnst du. Wer bist du. Was machst du. Was willst du. Bist du verliebt. In wen denn. Was willst du. Wie heißt er. Sie. Warum stehst du hier. Wann bist du hergekommen. Bist du hungrig. Willst du Kuchen haben. Willst du Prügel haben. Willst du einen Schwanz haben. Willst du Spaß haben. Was willst du. Warum lachst du nicht. Wer bist du. Wo wohnst du. Warum stehst du auf. Woran denkst du. Was willst du. Machst du Kunst. Lieder. Musik. Spielst du ein Instrument. Reist du gern. Woher kommst du. Bist du froh. Warum lachst du nicht. Wann bist du hergekommen. Wann fährst du. Was willst du. Was kostest du. Wer bezahlt. Wieviel isst du. Wie geht es deinen Zähnen. Dem Magen. Den Nerven. Was willst du. Wer soll bezahlen. Wo wohnst du. Wo schläfst du. Wer bist du. Was willst du. Mich. Uns. Warum bist du hergekommen. Weißt du wer du bist. Warum nicht. Was willst du. Welche Krankheiten wirst du bekommen. Bist du kreativ. Was willst du. Bist du geil. Wann bist du hergekommen. Warum stehst du hier. Wie heißt du. Was willst du. Warum spielst du Theater. Wie lange willst du bleiben. Hast du Bettwäsche mit.

Übersetzt nach Lina Ekdahl: Vad vill du (Glänta 1/2014)

Am Ende des Sommers II

Das Ende für die Königslinie rückt näher. Stena Line nimmt das zweite Fährschiff aus dem Verkehr und fährt nur noch einmal am Tag nach Trelleborg und das auch noch nachmittags. Aber was soll man abends um acht in Trelleborg?

Es ist einfacher, am Rand zu leben, wenn man an einer Route ist. Selbst als die Mauer noch stand, fuhr nachts um halb zwölf der Malmö-Express aus Berlin, war halb zwei in Greifswald und um drei am Hafen. Die Nachtfähre über die Ostsee kam um sieben in Schweden an und auch, wenn für uns spätestens in Sassnitz Schluss war, wir waren unterwegs nach Norden.

Als die Fährgesellschaft noch dem Staat gehörte, gab es fünf Abfahrten am Tag und einen Gewinn für den Finanzminister. Das nennt man wohl eine gelungene Privatisierung.

Dann nehmen wir einfach die nächste Fähre. Vorbei.

Auf dem Schreibtisch liegt eine Woche Göteborgs Posten, die ich jeden Morgen aus dem Brännö Handel geholt hatte. In den schwedischen Zeitungen ist noch ein Rest Volksheim übrig, etwas für alle: Kochrezepte, Lokalsport, Comics, Beschwerden über die rumpelnde Straßenbahn und unhöfliche Jugendliche, Geburtsanzeigen, Nachrufe, Patti Smith und Arthur Rimbaud, Sprachpolitik.

Wir haben einen neuen Kühlschrank. Das Eisfach ist jetzt unten, ich muss mich nicht mehr auf den Küchenfußboden setzen, um die Sachen für das Frühstück rauszuholen. Ein wenig vermisse ich diesen Moment am Morgen, kurz vor halb sieben im Halbschlaf auf dem Boden sitzend, das immergleiche Bild vor Augen.

Vom Vångavallen bis zum Fährterminal sind es genau 18 Minuten zu Fuß.

Erst dieses Ding mit Ello und dann war sogar Quitter einen Augenblick lang wachgeküsst. Netznomaden.

Achthundert Feeds im / Eingang, im Zeltsack noch der / Regen Göteborgs

Als der Bahnübergang in der Gützkower Straße endgültig geschlossen wurde, standen wir in der Kälte und sahen den Bauarbeitern zu, wie sie erst die Straße und schließlich die Fußgängerbrücke sperrten. Der Mann neben mir sagte, dieser Weg lasse sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen, seitdem sei man hier, an dieser Stelle, nach Berlin gefahren und jetzt nicht mehr.

Leipzig

Immer, wenn ich auf die Grammatik im Bücherregal sehe, denke ich, dass es gut war, in diesem dunklen, verwinkelten Vorlesungsgebäude am Augustusplatz so vehement durch den Eignungstest für das Germanistikstudium zu fallen (»Bestimmen Sie alle Wortarten im folgenden Text«), der Versuch, im Nachgespräch (Uni-Hochhaus, 17. Stockwerk) noch etwas zu retten, war dann auch nur noch halbherzig (»Es ist ja schön, dass Sie Karl Kraus gelesen haben, aber mittels Sprache auf die Gesellschaft Einfluss nehmen, das können Sie auch anderswo«), mit Tränen in den Augen lief ich die Goethestraße herunter bis zum Zeitungsladen im Hauptbahnhof und ließ dort die »Weimarer Beiträge« stehen.