Monat: Januar 2014

Im Januar

Die Bäume verraten den Wind.

Angesichts der Digitalisierung des Sturms die Erinnerung an den Lesesaal der Greifswalder Universitätsbibliothek. Rechts hinter der leise anschlagenden Doppelschwingtür der Tisch, über den die Bücherstapel geschoben wurden, der gelbe Pappausweis als Eintrittskarte, die Leihscheine ragten als Lesezeichen aus den Büchern heraus. Die Zeitschriften und Sammlungen des literarischen Expressionismus und mit den Notizen daraus nach unten zu den Zettelkatalogen und die nächsten Leihscheine ausfüllen. So begann es. Um 21 Uhr schloss der Lesesaal, dann mit dem Bus gerade noch rechtzeitig zurück ins Internat, über die bucklige Bahnhofstraße, die noch keine Autobahn geworden war.

Das Erstaunen darüber, dass es auch in Greifswald eine solche Zeitschrift gegeben hatte.

Ein paar rumpelnde unzulängliche Übersetzungen gemacht. Kein Mensch interessiert sich noch für Gedichte. Ich auch nicht.

Ein halbes Gigabyte E-Mails gelöscht.

Schöne Wörter: Kofferradio, astrein, Tollpatsch.

Plötzlich kam der Winter doch, der Wind drehte auf Ost und brachte den Schnee und der Frost sperrte die Stadt ein.

Tammy Ho Lai Ming: Bilder

Es war eine Art Hütte, strohgedeckt. Draußen,
die Autos fegten vorbei, die Straße war immer frei.
Oder vielleicht war es keine Hütte, sondern ein Holzhaus.
Klein, ärmlich. Aus Stein möglicherweise?

Mit meinen Fachworten kann ich diese Stelle nicht wiederaufbauen;
es gibt keine Bilder mehr, um meine Zeichnung abzugleichen.
Ich war keine drei, Raum und Zeit erst halb bewusst.
Und meine Zwillingsschwester, jünger als ich,

sah wie ein Gangsta aus, trug Second-Hand-Schlafanzüge.
Einmal spielten sie mit den Dottern zerbrochener Eier,
eine Kalligraphie auf dem Zementfußboden. Davon haben wir ein Foto.
Es gibt keine Spur von mir auf diesem Familienbild,

aber ich war überzeugt, dass ich dort irgendwo sein musste,
in genau diesem Raum. Viele Jahre lang stellte ich mir vor,
wie ich hinter einem Schrank oder einem Besen stehe und
verzückt auf meine Schwester und ihr Spielzeug schaue:

Muscheln, Papierschnipsel, Staubflusen. Später erzählte man mir,
dass meine viel zu junge Mutter, sie war zweiundzwanzig,
es nicht mit drei Kindern zugleich in einem Haus schaffte
und mich in ein Dorf auf Mainland geschickt hatte.

Ich war nicht dort, als das Foto gemacht wurde.

Übersetzt nach Tammy Ho Lai-Ming: Frames.

Foroyar

Elmar Bambach hat aus 24 quadratischen Fotos von den Färöern ein kleines Buch gemacht. Leere Landschaften: Asphalt, Felsen, Gras, Kunstrasenplätze (die Färöer sind ein Fußball-Land), neblig, fahl, klamm, blass. Wie leer wären die Landschaften, wüsste man nicht um die Geräusche: die Dieselmotoren, das Gemurmel auf den Bänken, das Ploppen, wenn der Vollspann den Ball trifft, der Jubel, das Geschrei der Vögel.

Elmar Bambach: Føroyar. Bücher & Hefte Verlag