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Cape Town I

Nachdem es mir im Vorfeld meiner Reise nach Südafrika nicht gelungen war, im Internet irgendwelche Informationen über das dortige Schach zu erhalten, kam mir vor Ort der Zufall in Gestalt einer Schachspalte im »Weekend Argus« zur Hilfe. Dort wurde etwas nebulös über ein »2007 Western Cape Students Open« berichtet, welches am nächsten Wochenende in Kapstadt stattfinden sollte. Angegeben waren mehrere Telefonnummern.

Ich nahm einfach die erste Nummer, rief Lyndon Bouah an und schilderte meine Lage: kein Südafrikaner, nur zu Besuch in Western Cape und eigentlich auch kein richtiger Student mehr. Lyndon wollte es mit den anderen Organisatoren besprechen und gab am nächsten Tag grünes Licht für meine Teilnahme.

Am Freitag vor dem Turnier stöberte ich vor dem Einkauf im Pick’n&Pay Claremont noch in einem winzigen Buchladen in einer riesigen Shopping Mall nach Schachbüchern und entdeckte tatsächlich unten im Regal etwas. Ein bisschen Vorbereitung sollte schon sein. Beim Blättern sprach mich auf einmal jemand an:

– Spielst du Schach?
– Ja.
– Spielst du in einem Club?
– Ja, aber nicht hier. In Deutschland.
– Wie heißt du denn?
– So gut spiele ich auch wieder nicht. Du wirst mich nicht kennen.
– Spielst du denn morgen in einem Turnier mit?
– (verwundert) Ja.
– Dann haben wir neulich telefoniert. Ich bin Lyndon Bouah.

Das waren eine ganze Menge Zufälle, erst recht bei näherer Betrachtung. Aber auf diese Weise lernte ich den Vizepräsidenten des südafrikanischen Schachverbandes kennen.

Der Rest ist schnell erzählt. Mit deutscher Überpünktlichkeit fand ich am Samstag das Kramer Building auf dem Campus der Universität, in dem seit vielen Jahren Juristen ausgebildet werden, nach dem Abschlussfotos zu urteilen, jahrzehntelang Weiße, inzwischen auch einige Farbige und Schwarze. Der (schwarze) Wachmann wusste jedenfalls nichts von einem Schachturnier (»What a funny game!«), durchstreifte mit mir aber das gesamte Gebäude, fragte unermüdlich alle Angestellten und führte mich schließlich in ein fensterloses Zimmerchen in der fünften Etage. Überhaupt wussten wohl nicht allzu viele von dem Turnier, schließlich fanden sich 14 Spieler ein und nach kurzer Diskussion über den Modus wurde beschlossen, fünf Runden Schweizer System mit 30 Minuten Bedenkzeit zu spielen, damit man am Nachmittag noch zum Rugby gehen konnte (Stormers gegen Blues 32-20, ein aufregendes Spiel).

Cape Town II: Eine Geschichte ohne Pointe

Auf dem Rückflug von Kapstadt saß vor mir auf einem Platz mit Beinfreiheit ein erfahrener Vielflieger, der zu meiner Aufregung kurz nach dem Start einen Schachcomputer aus dem Handgepäck fummelte. Ich wusste gar nicht, dass diese Geräte noch in Gebrauch sind. So ein Kaufhauscomputer, die Züge mussten per Druck der Figuren auf Start- und Zielfeld eingegeben werden, der Computer zeigte seine Züge mittels blinkender Lämpchen auf den Koordinaten an. Trotzdem tröstete mich die Aussicht, die Flugzeit vielleicht durch ein wenig Kibitzen etwas kurzweiliger gestalten zu können. Mein Vordermann spielte immer Weiß. Jedesmal, wenn er verlor, regelte er den Rechner ein Stufe herunter, bis er wieder gewann. Auf diese Weise entstanden einige skurrile Partien, geschlossene Stellungen, langatmige Zugfolgen, bis die Kiste den Weißen endlich in ihre Stellung ließ und irgendwann mattgesetzt wurde. Ab und zu guckten die Leute, die vor den Toiletten anstanden, auf das Brett.

Nach einer Stunde war Schluss damit. Der Mann vor mir packte das Gerät wieder ein und verscheuchte den kleinen Jungen, der gerade versuchte, an der Notausgangstür eine rote Kurbel zu betätigen.