Ins Grüne

Oma und Opa Mühl Rosin hießen Oma und Opa Mühl Rosin, weil sie in Mühl Rosin wohnten. Obwohl ich als Kind eher »Mürosin« gesagt habe, glaube ich. Nach Mühl Rosin kommt man, wenn man von Güstrow aus die Straße weiterfährt, die am Ernst-Barlach-Haus am Inselsee vorbeiführt. Genau bis dahin wurde die Straße 1981 asphaltiert, weil Helmut Schmidt sich Barlach angucken wollte. Danach ging die Kopfsteinpflasterstraße weiter.

Meine Großeltern wohnten im Lehrerhaus direkt neben der großen Schule, die sie nach dem Krieg aufgebaut hatten und an der mein Opa Direktor war. Opa war eigentlich ein Gärtner. Er kümmerte sich um den riesigen Schulgarten und um den Garten neben dem Haus und konnte zu jeder Pflanze eine Geschichte erzählen. Im Winter heizte er morgens pünktlich um sechs die Kachelöfen, auch am Sonntag. Um halb zwölf hörte er die Landwirtschaftssendung vom Deutschlandfunk und um zwölf stellte Oma das Essen auf den Tisch. Oma kam aus besserem Hause, wie man so sagt. Sie spielte Klavier und gewann gegen mich beim Halma (und es gab nicht viele Brettspiele, bei denen ich verloren habe). Ich glaube, sie sprach sogar Französisch.

Wir trafen unsere Cousins in Mühl Rosin. Einmal bauten wir in den Winterferien einen Iglu. Man konnte darin ein Feuer machen, der Schnee taute an der Oberfläche und fror dann zu einer Eisschicht. Gleich hinter dem Haus war der Sportplatz mit den Pappeln und einem kleinen verstaubten Geräteschuppen am Ende, in dem es ein Pferd gab und Boxhandschuhe. Heute stehen da lauter Einfamilienhäuser. Auf der anderen Seite begann der Wald mit den Heidbergen, dem Bach und der Nebel. Meine Opa sagte immer, dass man keine Brille braucht, wenn man viel ins Weite und ins Grüne guckt. Das hat bei mir leider nicht funktioniert.


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