Fünfundsechzig Haiku-Regeln

Siebzehn Silben in einer Zeile.

Siebzehn Silben, in drei Zeilen geschrieben.

Siebzehn Silben, in drei Zeilen geschrieben, geteilt in fünf-sieben-fünf.

Siebzehn Silben, in eine vertikale (linksbündige oder zentrierte) Zeile geschrieben.

Weniger als siebzehn Silben, in drei Zeilen geschrieben, geteilt in kurz-lang-kurz.

Weniger als siebzehn Silben, in drei vertikale Zeilen geschrieben, geteilt in kurz-lang-kurz (Ala Barry Semegran).

Schreibe, was in einem Atemzug gesagt werden kann.

Verwende ein Jahreszeitenwort (kigo) oder einen jahreszeitlichen Bezug.

Verwende eine Zäsur am Ende der ersten oder der zweiten Zeile, aber nicht an beiden.

Bilde niemals einen ganzen oder zusammengesetzten Satz aus allen drei Zeilen.

Nimm zwei Bilder, die nur vergleichbar sind, wenn das dritte Bild hinzukommt.

Nimm zwei Bilder, die nur assoziativ sind, wenn das dritte Bild hinzukommt.

Nimm zwei Bilder, die nur konstrastrieren, wenn das dritte Bild hinzukommt.

Schreibe immer im Präsens.

Verwende Personalprogramm nur begrenzt oder gar nicht.

Schreibe Personalpronomen immer klein.

Entferne alle Substantivierungen.

Schau auf die Artikel. Benutzt du zu viele? Zu wenige? Gleichmäßig in einem Gedicht?

Verwende den gewöhnlichen Satzbau in beiden Sätzen.

Verwende Satzteile.

Schau auf die Reihenfolge der Bilder. Zuerst Weitwinkel, dann einen mittleren Ausschnitt und zuletzt die Nahaufnahme.

Warte mit der Pointe bis zur letzte Zeile.

Suche Faszination und einen Blickfang für die erste Zeile.

Schreibe einfach auf gewöhnliche Weise in einer gewöhnlichen Sprache über gewöhnliche Dinge.

Schau dir Zen an und lass dein Haiku ohne Worte Bilder schaffen.

Schau dir eine Religion oder eine Philosophie an und lass sie ein Echo im Hintergrund deines Haiku sein.

Verwende nur konkrete Bilder.

Erfinde einen lyrischen Ausdruck für das Bild.

Versuche mehrere Bedeutungsebenen in das Haiku zu bringen. Auf der Oberfläche sind einfache Bilder, darunter Philosophie oder Erkenntnis.

Verwende Bilder, die eine einfache dörfliche Abgeschiedenheit oder eine herkömmliche Armut hervorrufen (sabi).

Verwende Bilder, die ein klassisches vornehmes Getrenntsein hervorrufen (shubumi).

Verwende Bilder, die nostalgische romantische Bilder hervorrufen. Entsagende Schönheit (wabi).

Verwende Bilder, die ein rätselhaftes Alleinsein hervorrufen (yugen).

Verwende Paradoxa.

Verwende Wortwitz und Wortspiel.

Schreibe von Unmöglichen in einer normalen Weise.

Verwende erhabene und erhebende Bilder (meide Krieg, Verbrechen und offenbaren Sex).

Erzähle, wie es in der wirklichen Welt um uns ist.

Verwende nur Naturbilder (vermeide Menschen).

Vermenge Mensch und Natur in einem Haiku, indem du ein menschliches Gefühl mit einem Aspekt der Natur verbindest.

Bezeichne Menschen als Nicht-Natur und gib all diesen Nicht-Natur-Haiku einen anderen Namen.

Vermeide jeden Bezug zu dir selbst im Haiku.

Sprich indirekt von dir als den Dichter, diesen alten Mann oder mit einem Personalpronomen.

Verwende für Mehrdeutigkeit keine Interpunktion.

Verwende die gewöhnliche Satzinterpunktion

Schreibe das erste Wort in jeder Zeile groß.

Schreibe nur das erste Wort groß.

Schreibe Eigennamen groß.

Schreibe alle Wörter in Kleinbuchstaben.

Schreibe alle Wörter in Großbuchstaben.

Vermeide Reime.

Reime die letzten Wörter der ersten und der dritten Zeile.

Verwende Reime an anderen Stellen des Haiku.

Verwende Alliterationen.

Verwende den Klang der Wörter, um Gefühle wiederhallen zu lassen.

Beende ein Haiku immer mit einem Substantiv.

Schreibe Haiku nur aus einem Haiku-Moment heraus.

Verwende jegliche Inspiration als Ausgangspunkt, um ein Haiku zu entwickeln (Schreibtisch-Haiku).

Verwende Verben nur begrenzt oder gar nicht.

Vermeide Präpositionen, vor allem in der ersten Zeile.

Entferne alle Adverbien.

Verwende für Substantive nicht mehr als ein Attribut und auch das nur dann, wenn es für den Sinn des Haiku unbedingt notwendig ist.

Teile deine Haiku, indem du sie ans Ende deiner Briefe setzt.

Behandle deine Haiku wie Dichtung, sie sind keine Postkartenverse.

Schreibe jedes Haiku auf, das zu dir kommt, auch die schlechten. Vielleicht macht es das nächste Haiku besser.

Lern die Regeln und dann vergiss sie (Matsuo Bashō)

Mehr oder weniger frei übersetzt nach »Haiku rules that have come and gone« von Jane Reichhold.


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